Wer bist Du? - Wer willst Du sein?

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straßenprinzessin Avatar

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“Aber, so viel habe ich begriffen, es gibt ein paar Dinge im Leben, die du einfach unmöglich nicht tun kannst. Dinge, die dich ausmachen, die den Menschen aus dir machen, der du bist. Große Dinge. Kleine Dinge. Ganz persönliche Akte der Hoffnung oder des Widerstands. Dinge, die dich du selbst bleiben lassen, auch wenn sie vielleicht gefährlich sind.“ (Seite 112)

Davor und Danach von N. Singer ist für mich fast im wahrsten Sinne des Wortes ein unbeschreibliches Buch. Es gab viele Momente die ich großartig fand und auch ein paar, die mir nicht so gut gefielen. Das Ganze allerdings zusammenzufassen, fällt mir hier irgendwie noch schwerer als sonst schon.
Mhairi ist eine so tolle Protagonistin, ich könnte mir keine bessere vorstellen. Man schwebt durch ihre Gedanken, die oft distanziert und emotionslos wirken, bei genauerer Betrachtung allerdings das völlige Gegenteil sind.
Sicher und in Liebe aufgewachsen wird das junge Mädchen nun, wie viele andere Menschen auch, mit der stetigen Verschlechterung der Erde und der immer weniger werdenden Menschlichkeit der Menschen konfrontiert. Mhairi steckt nicht nur in einer Selbstfindungsphase, sondern auch in einem vermeintlichen schleichenden Weltuntergang.
Die Geschichten aus Davor und Danach, die für meinen Geschmack ruhig noch ein bisschen deutlicher und aufklärender hätten sein können, waren oft beklemmend und so erschreckend aktuell. Für mich war das oft das beste und schlimmste an diesem Buch. Man ist wirklich schnell in die Geschichte eingetaucht und es war oft wahnsinnig authentisch, aber leider ist genau DAS auch dass traurigste daran. Das Unmenschlichkeit und Gleichgültigkeit nicht nur in Geschichten existieren, sonder leider ganz Real und vor allem bestürzend Gegenwärtig sind. Eine beklemmende Situation folgt der nächsten, manchmal etwas wirr aber immer nah am Geschehen. Erinnerungen sind niemals zufällig, sondern passgenau eingeflochten, welche für einen fließenden, manchmal aber auch langatmigen Verlauf gesorgt haben. Beeindruckend fand ich, wie die junge Mhairi sich stetig weiter entwickelt hat. Es war großartig zu verfolgen, wie sie sich selbst definiert. Standpunkte und Positionen bezieht und umsetzt. Äußere Umstände haben sie beeinflusst aber niemals wurde über sie bestimmt. Voll und ganz ist man als Leser/in bei Mhairi. Mhairi, die mich schleichend in die Geschichte gezogen hat und mich selbst hat immer wieder fragen lassen: Was würde ICH tun? Auch wenn das Thema erschreckend ist, so finde ich doch Bücher gut, die einen immer selbst mit moralischen Fragen konfrontieren. Bücher, die man auch nach dem lesen noch in sich trägt und die einen für eine Weile auch noch begleiten.
Trotzdem gab es auch kleine Kritikpünktchen. Neben dem manchmal sehr langatmigen Verlauf, fand ich es unglaublich Schade so wenig von Davor erfahren zu haben. Wie und warum ist die Welt zu dieser harten Umgebung mutiert? Meiner Meinung nach ist dies leider zu sehr in den Hintergrund gerückt. Hätte man es vielleicht sogar verhindern können? Gibt es Schuldige? Fragen über Fragen, die für mich leider nicht ausreichend beantwortet bzw. beschrieben wurden.
Nichtsdestotrotz mag ich diese beängstigende Dystopie und vergebe gerne 4 Sterne dafür!
P.s. Einen Stern gibt es schon allein für das tolle Cover!