Wichtiges Thema, das jedoch mit einem riesigen Logikfehler endet

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Die 14-jährige Mhairi lebt in einer Welt, in der sich das Klima erwärmt hat, ein neuer Äquator gezogen wurde und das Wasser für die übervölkerte Erde knapp ist. Deshalb zieht es viele Leute in den Norden. Auch Mhairi flüchtet aus dem Sudan, wo ihre Familie durch die Arbeit der Mutter hingezogen ist. Die Flucht ist nicht leicht und schon bald ist Mhairi zu Fuß und alleine nach Schottland unterwegs. Während ihres Weges begegnet sie in England einem kleinen Jungen, der ihr folgt und sie es nicht übers Herz bringen kann, ihn seinem Schicksal zu überlassen.

Die Flucht und ihre Folgen sind gut beschrieben. Mhairi hat die Gefahren gelernt, die von anderen Menschen und den Grenzkontrolleuren ausgeht. Sie erlebt, wie entbehrungsreich und anstrengend ihr Weg ist. Auch in Rückblicken erfährt man, was sie bisher auf der Flucht erleben musste. Die Geschichte handelt hauptsächlich davon: langen Fußmärschen, Auffanglanger, andere Menschen, Hunger und Nahrungssuche. Nicky Singer hat eine leise und manchmal langwierige Erzählung darüber geschaffen. Spannung und Action sind gar nicht bis sehr wenig vorhanden. Dazwischen wurden einige Szenen sehr dramatisch dargestellt. An sich empfand ich dies gar nicht als schlimm, weil in dieser Geschichte kein krasser Endzeitroman, sondern die Menschlichkeit und Flüchtlinge im Vordergrund stehen. Trotzdem war die Geschichte an einigen Stellen zu sehr in die Länge gezogen. Auch die Emotionen von Mhairi wurden oft zu wenig beschrieben, als ich sie hätte nachvollziehen können. Trotzdem war mir das kämpferische und kluge Mädchen im Ganzen sympathisch.

Das Ende ist sehr unlogisch. Mhairi lebt in einer Welt, in der es sehr viele Regeln gibt und die Menschen diese akzeptieren müssen, damit die Ressourcen optimal genutzt werden können. Zum Schluss des Buches gibt es eine Person, die auf diese Regeln pocht, auf Leben und Tod. Seltsamerweise wird aber zunächst auf eine wichtige Regel hingewiesen, die man gut nachvollziehen kann, und zwei Seiten später total unter den Tisch gekehrt wird. Das Buch wäre ganz anders ausgegangen, wenn die Autorin sich an ihre erdachte Welt gehalten hätte! Hauptsache, das Ende muss sehr dramatisch dargestellt werden, nachdem der Rest eher langwierig vor sich hin dümpelte. Ich kann einfach nicht verstehen, wie dieser Punkt durch das Lektorat etc. laufen konnte. Das Ende passt einfach nicht, nicht zu der Welt, die Nicky Singer geschaffen hat, nicht zu der Konsequenz, die dort herrscht. Der Schluss zeigt gut, dass die Menschlichkeit in Notsituationen oft auf der Strecke bleibt, was eine sehr wichtige Botschaft ist, aber sie geht unter, da dies alles so nie hätte geschehen dürfen.

》Mauern, die eigentlich Grenzen sind. Barrieren, die Länder teilen, Nationen, Völker. Grenzen, die in den Köpfen von Menschen entstanden sind. Staatsgebiete, die auf einem Stück Papier eingezeichnet sind.《 S. 89

Die Aufmachung des Buches ist wunderschön, denn die Vorder- und Rückseite zeigen nur ein mit Glitzer verziertes Bild von einer jungen Frau und eines kleinen Kindes. Der Buchschnitt wird von einer zusätzlichen Klappe bedeckt und enthält einen Teil des Titels. Obwohl der Verlag sich sehr viel Mühe mit der Buchgestaltung gemacht hat, kann der Inhalt nicht mithalten. Das Äußere fliest nicht in meine Bewertung mit ein.


Fazit:
„Davor und danach“ wurde mit dem Klimawandel promotet. Diese spielt aber nur insofern eine Rolle, dass die Erde sich erwärmt hat und nun einige Probleme Mhairis Welt beeinflussen. Hauptsächlich handelt das Buch über Flucht und über die Menschlichkeit, die in Krisensituationen oft verloren geht. Insgesamt ist es eine ruhige, manchmal fast schon langwierige Geschichte ohne Action. Das große Manko an diesem Buch ist der enorme Logikfehler am Ende. Hätte die Autorin die Regeln ihrer eigenen geschaffenen Welt konsequent durchgehalten, hätte das Buch anders, und vor allem viel weniger dramatisch, geendet.
2,5 von 5 Sternen