Überraschend gut

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kleinfriedelchen Avatar

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_"Kalte Haut, älter als alle anderen, zurückgezogen von der Gesellschaft? Menschen mit diesen Eigenschaften sind normalerweise tot." Es herrschte betretenes Schweigen. Nathaniel hatte recht, aber Dante lebte und atmete und bewegte sich. Ich lachte auf. "Willst du damit sagen, dass Dante Berlin tot ist?"_

Nach dem Tod ihrer Eltern wird Renée von ihrem Großvater auf das Gottfried-Institut geschickt, eine elitäre Privatschule, an der so merkwürdige Fächer wie Gartenbau oder Rohwissenschaften gelehrt werden. Ihr einziger Lichtblick im streng geregelten Alltag ist der mysteriöse Dante, ihr Mitschüler und der Junge ihrer Träume. Doch so sehr sie auch von ihm fasziniert ist, kann sie nicht leugnen, dass Dante etwas Merkwürdiges an sich hat. Seine Haut ist stets eiskalt und küssen will er sie auch nicht, egal wie sehr er sie offenbar begehrt. Und auch das Gottfried selbst ist Renée unheimlich. Irgendwas stimmt an dieser Schule nicht. Immer wieder verschwinden Schüler und letztes Jahr wurde sogar ein Junge tot im Wald aufgefunden. Und er starb auf dieselbe Weise wie Renées Eltern...

Ich glaube, es ist immer von Vorteil, wenn man ohne jegliche Erwartungen an ein Buch herangeht. Denn dann kann man noch richtig überrascht werden. So ging es mir mit "Dead Beautiful". Vom Klappentext und schnulzigen Untertitel her hatte ich eigentlich ein typisches Jugend-Fantasybuch erwartet, bei dem der Fokus auf der Liebesgeschichte liegt und sonst nicht viel Spannendes passiert. Erfreulicherweise erzählt Yvonne Woon eine frische innovative Geschichte, die mich wirklich mitreißen und auch überraschen konnte. Es geht nicht primär um die Liebesgeschichte, sondern um das Geheimnis des Gottfried-Instituts, dem Renée langsam auf die Schliche kommt.   

Dabei merkt man gleich von Beginn an, dass sich die ganze Geschichte um den Tod oder verschiedene Todesmythen dreht. Renée wird vom Tod ihrer Eltern vollkommen aus ihrem alten Leben gerissen. Von einem seltsamen Gefühl geleitet findet sie sie mitten im Wald, beide sind äußerlich unverletzt. Und doch sind sie tot. An einem Herzanfall sollen sie gestorben sein, doch warum liegen um sie herum Münzen verstreut und woher kommen die Mullbinden in ihren Mündern? Auch wenn man als Leser schon einiges erahnen kann, dauert es trotzdem ein Weilchen, bis man hinter das Geheimnis kommt, dass Dante und das Institut umgibt. Gerade das fand ich spannend und erfrischend anders. Und auch sehr mysteriös.

Obwohl es ein Erstlingswerk ist, merkt man, dass die Autorin sehr auf eine möglichst detailreiche Erzählung geachtet hat, um eine bestimmte Stimmung beim Leser zu erzeugen. So hatte ich überhaupt kein Problem damit, mir die mystisch-unheimliche Umgebung des Internats vorzustellen. Das Gelände liegt mitten in den kalten Bergen Maines, umgeben von dichten Wäldern. Abend dürfen keine Lichter auf dem Schulgelände brennen, nur Kerzen. Zu den Schulbüchern zählen fast schon okkult wirkende Lehrbücher. Und dann sind da natürlich noch der tote Junge, der im letzten Jahr auf dieselbe Art gestorben ist wie Renées Eltern. Oder das plötzliche Verschwinden einer Schülerin. Das ganze wirkte wirklich wie aus einem guten Mysteryfilm.
Natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz und Dante ist schon ein heißer Typ. Naja, wenn seine Haut nicht eiskalt wäre :-). Gleich an ihrem ersten Tag trifft Renée auf den spöttischen Jungen, der sonst mit niemandem redet und eher abweisend reagiert. Aber langsam entwickeln sich immer stärkere Gefühle zwischen den beiden. Sehr gut gefallen hat mir dabei, dass die Liebesgeschichte allerdings nicht so sehr im Vordergrund steht.

Trotz des vielen Lobes will ich die Höchstbewertung für dieses Buch nicht vergeben. Und zwar aufgrund von zwei Kritikpunkten: Obwohl Woon wirklich gut schreibt, ist es ihr nicht gelungen, die Gefühle der Protagonisten wirklich auf mich zu übertragen. Die Gefühle von Renée wirkten mir zeitweise etwas oberflächlich und die Liebesgeschichte ist mir leider nicht so richtig nahegegangen. Das fand ich an sich nicht weiter schlimm.
Leider wirkte dann auch der Schluss des Buches nach fast 500 Seiten plötzlich etwas überhastet am Ende, etwas weniger ausgearbeitet. Schade, denn gerade die Details der Geschichte fand ich spannend und hier hat sich die Autorin über das ganze Buch hinweg wirklich Mühe gegeben. Und am Ende schwächelt sie auf einmal und bei mir blieben einige Fragen offen wie "fehlt nicht zu diesem und jenem Punkt noch die Auflösung?" Nun ja, das fand ich etwas schade.

Diese Schwächen verzeihe ich dem Debüt aber, denn im Gesamten betrachtet fand ich das Buch echt gelungen. Es bietet eine erfrischende Geschichte, eine zarte Liebesgeschichte und einen Hauch Mystery. Frau Woon, ich würde gerne mehr von ihnen lesen!