Der Wolf im Schafspelz

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kleine hexe Avatar

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Schon im ersten Roman aus dieser Serie haben wir es gewusst, Jackson Lamb ist kein Lamm. Gerissen, schlau, voller Tücke und List und ausgestattet mit einem überaus scharfen Verstand, ist Jackson Lamb eigentlich der Wolf im Schafspelz. Als ein alter Bekannter aus der Zeit des kalten Krieges an einem Schlaganfall im Bus stirbt, weiß Lamb sofort, da stimmt etwas nicht. Der alte Wolf nimmt die Fährte auf, beißt sich fest und ruht nicht, bis der Fall mit all seinen Implikationen gelöst ist. Wenn man die Slow Horses, die Mitarbeiter von Jackson Lamb sich genauer ansieht, stellt man sich die Frage, sind sie wirklich lahme Gäule auf dem Abstellgleis? Oder wurden sie absichtlich unter diversen Vorwänden ins Slough House, der Außenstelle des MI5 abgestellt. Hier können sie für alle Augen sichtlich, langweilige Statistiken befüllen und ihre Rente abwarten oder von selbst kündigen. Aber in Wahrheit, so fernab von den wachsamen und intriganten Augen der Zentrale des MI5 können sie ungehindert recherchieren und vertrackte und delikate Fälle lösen. Die Slow Horses selber scheinen nicht zu ahnen, weshalb sie hierher, ins Slough House abkommandiert wurden, sie glauben für irgendwelche Vergehen büßen zu müssen. Aber vielleicht ist Slough Hous gar nicht ein aufgelassener Bahnhof, sondern der As im Ärmel einer der hohen und unsichtbaren Strippenzieher bei MI5. Eine Task Force der anderen Art, sozusagen. Aber klar wird das nirgends ausgesprochen und das trägt auch zur Spannung des Buches bei. Dieses Hintergründige, das bei der doch Action geladenen Handlung immer mitschwingt.
Und noch etwas trägt massiv zur Anziehungskraft des Buches bei: die Sprache. Mal betont zurückgehalten, so richtig royales britisches Understatement, dann wieder recht grob und direkt, an anderen Stellen eine feine Ironie, die sich oft unerwarteter Bilder bedient, Redewendungen und Ausdrücke leicht entfremdet und ihnen dadurch ganz neue Aspekte abgewinnt. Ich habe manche Absätze mehrmals gelesen, einfach nur um in die sprachlichen Bilder einzutauchen, sie zu genießen, sie auf mich einwirken zu lassen. Auch die anscheinend etwas langatmigeren Passagen ergeben hinterher einen tieferen Sinn, mehr als nur Liaison zwischen zwei Handlungspunkten. Mich Heron überlässt nichts dem Zufall.