Zurück in Slough House

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Auch der zweite Teil von Mick Herrons Agenten-Krimi-Reihe um die Slow Horses startet gemächlich. In Windungen und Wendungen plätschert die Geschichte von hier nach da, zunächst ohne erkennbaren Zusammenhang, allerdings lernt der Leser dabei auf durchaus unterhaltsame Weise die beteiligten Figuren samt ihrer speziellen Eigenheiten kennen. Und „speziell“ ist hier eine ganze Menge.

Der Inhalt lässt sich kaum zusammenfassen ohne zu spoilern. Die Ursachen der aktuellen Geschehnisse reichen zurück bis in die Zeiten des kalten Krieges und es baumeln jede Menge lose Fäden „aus den Seiten“. Gibt es wirklich ein altes russisches Spionagenetzwerk, was hat es mit dem ominösen Alexander Popow auf sich, damals und heute – um nur ein paar wenige der Komponenten zu nennen. Dazu kommen die aus dem ersten Teil vertrauten internen Rangeleien im Nachrichtendienst samt der Scharmützel zwischen Slough House und Regent`s Park.

Lamb ist ein Fuchs, aber immer noch der gewohnte „Knochen“, kaltschnäuzig und zynisch, auch im Umgang mit seinen Mitstreitern grenzwertig unverschämt. Dabei allerdings unerschütterlich loyal gegenüber denen, die er als „seine Leute“ ansieht, auch wenn man es manchmal erst auf den zweiten oder dritten Blick merkt. Und natürlich extrem unappetitlich in seinen Gewohnheiten, ein Beispiel für seine Außenwirkung: „… weiter vorne stand eine vertraute Bank. Er war einmal darauf eingeschlafen und hatte dabei einen Papp-Kaffeebecher umklammert. Als er aufgewacht war, enthielt er zweiundvierzig Pence in Kleingeld“.
Catherine Standish verblüfft auch hier wieder den Leser und ihre Kollegen bei den Slow Horses mit Fähigkeiten und Erkenntnissen, die man ihr nicht unbedingt zugetraut hat. Sie ist für mich eine der sympathischeren Figuren.

Im letzten Drittel zieht die Spannung dann deutlich an, wartet mit ebenso zahlreichen wie verblüffenden Wendungen auf, die zwar nicht unlogisch daherkommen, aber eben doch sehr gehäuft auftreten.
Schon genial gemacht wie sich die Handlungsstränge sukzessive verdichten, die Spannung zunimmt und am Ende alles schlüssig verknüpft wird, aber für meinen Geschmack war das Ganze doch sehr komplex und kompliziert geplottet, wobei ich die häufigen Perspektivwechsel nicht als schwierig oder den Lesefluss störend empfunden habe.

Trotz der wieder genialen, unterhaltsamen Erzählweise hatte ich ab und an den Eindruck gewisser Längen und manchmal war es nicht ganz einfach, den aus- und abschweifenden Ausführungen zu längst vergangenen Geheimdienstoperationen zu folgen. Aber man sollte ihnen aufmerksam folgen…

Insgesamt habe ich auch diesen Krimi gern gelesen. Zwar fand ich ihn vom Thema her weniger interessant als seinen Vorgänger, aber ich mag den Erzählstil, die speziellen Charaktere und diese Atmosphäre von desillusioniertem Sarkasmus.
Schmerzlich vermisst habe ich die Dynamik innerhalb der Truppe, die mir am Ende von Teil 1 so gut gefallen hat, und die leise Hoffnung gehegt, es ginge irgendwie da weiter (und voran) wo und wie es vorher aufgehört hat. Ein Hauch davon ist ab und zu spürbar, doch ein wirkliches Team bilden die Slow Horses nach wie vor nicht. Vermutlich würde es auch nicht recht ins Bild passen - aber mir würde es nichtsdestotrotz gefallen ;).