Morden im Norden

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mammutkeks Avatar

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Das Rheiderland – ein schöner Flecken Erde zwischen der holländischen Grenze und der Ems. Orte wie Ditzum, Jemgum, Petkum oder Bingum liegen hier. Das Land wurde der Nordsee mühsam abgerungen, Tourismus und vor allem die Arbeit in der Papenburger Meyer-Werft und beim Emder VW-Werk beherrschen das Bild.
Kein Wunder, dass in den 1990er Jahren intensiv um den Bau des Emssperrwerks gerungen wurde. Ökologische Bedenken gegen die wirtschaftliche Notwendigkeit, das Überleben der kleinen Fischer gegen den Bau von immer größeren Kreuzfahrtschiffen.
In diesen Zusammenhang stellt Heike van Hoorn ihren neuen Ostfriesenkrimi „Deichfürst“. Der alte und mächtige Bauer Tadeus de Vries gehörte zu den Befürwortern des Emssperrwerks – sicherlich auch aus egoistischen finanziellen Gründen. Als der Baustopp gerichtlich aufgehoben wird, wird allerdings auch seine Leiche in der Baugrube gefunden – in einer luftdicht abgeschlossenen Kiste, die eigentlich schon längst unter den Fundamenten der Zufahrtstraße verborgen sein sollte.
Mit der Lösung des Falles beschäftigen sich gleich zwei Parteien: die logisch zu erwartende Kriminalpolizei in Person von Stephan Möllenkamp, der vor kurzem aus der Landeshauptstadt Hannover nach Leer gezogen ist – und noch nicht so ganz warm geworden ist mit der speziellen Mentalität der OstfriesInnen und speziell der RheiderländerInnen. Weniger logisch als Ermittlerin ist die Lokalreporterin Gertrud Boekhoff. Sie geht ganz eigene Wege, vorrangig, um ihr „Blattje“ mit Inhalten zu füllen, aber irgendwann auch aus egoistischen Interessen. Und weil sie immer wieder „vergisst“, die Polizei zu informieren, gerät sie auch in brenzlige Situationen.
Unterbrochen wird die 1999er Geschichte durch Rückblenden auf die direkte Nachkriegszeit, als Flüchtlinge aus dem Osten sich im Rheiderland Ruhe und Frieden wünschten, diese aber nicht fanden, weil sie weiterhin verfolgt wurden. Auch hier spielt Tadeus de Vries eine gewichtige und vor allem schlechte Rolle.
Grundsätzlich finde ich den Ansatz van Hoorns richtig super – die Verknüpfung relativ aktueller Geschichte mit einem Kriminalfall. Das Emssperrwerk war ein äußerst umstrittenes Bauwerk, das allerdings nicht nur von „Ökos“ als negativ gewertet wurde. Die inhaltliche Auseinandersetzung kommt mir beim „Deichfürsten“ etwas zu kurz – und die Personengestaltung ist mir in diesem Zusammenhang zu eindimensional.
Auch die Lösung des Falles finde ich zu konstruiert – und den Epilog hätte es für mich nicht geben müssen. Aber insgesamt habe ich – auch wenn ich ebooks nicht wirklich mag – interessante Lesestunden verbracht. Landschaft und Personen sind gut beschrieben, die Verbundenheit zum Rheiderland und nach Ostfriesland ist deutlich zu spüren, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Das Ermittlerduo hat zwar seine Ecken und Kanten – ist aber nicht so problembelastet, wie es in anderen Krimis inzwischen häufig der Fall ist.
Das Cover passt für mich nicht so ganz – ist es doch eine Strandszene und sieht mehr nach Ost-, denn nach Nordsee aus – aber insgesamt ein interessantes Buch mit nachvollziehbarer und leidlich spannender Handlung, das Lust auf mehr macht.