Wo steckt die Rache?

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quatschpanda Avatar

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„Ein Yorkshire-Krimi“ steht auf dem Cover und erweckt zusammen mit dem gewählten, stimmungsvollen Hintergrund der Strandlandschaft mit Leuchtturm vor dunklen Wolken tatsächlich ein bisschen britisches Flair, das sich durch das ganze Buch zieht.
Dazu trägt auch insbesondere der Hauptcharakter Detective Sergeant Aector McAvoy zu, der hunnenartige Schotte, der aber eigentlich liebender Familienvater und ein Mann mit gutem Instinkt ist, der ihn schließlich dazu bringt, ein weggeworfenes Handy aus dem Schlamm zu fischen und dieses wieder zum Laufen bringen zu wollen. Als hätten die örtliche Polizeistation von Hull nicht schon genug mit dem Einmischen der Vietnamesen und der Roma in das Cannabisgeschäft in der Hafenstadt und damit verbundenen grausamen Morden zu tun, leitet McAvoy im Geheimen, mithilfe seiner Vorgesetzten Trish Pharaoh, auch noch eine private Ermittlung. Denn der als Selbstmord deklarierte Tod des Besitzers des Handys, dem jungen, homosexuellen Simon Appleyard, der sich zusammen mit seiner besten Freundin Suzie auf erotische Abenteuer mit Fremden aus Online-Communities einließ, wirft viele Fragen auf, die McAvoy keine Ruhe lassen und ihn schließlich auf eine richtige Spur locken…
Das Buch ist, sagen wir, ganz nett. Es ist stilistisch schön geschrieben, ohne Frage, aber umgehauen hat es mich nicht. Die Ausflüge in die Welt der sexuellen Auslebungen wirken in Zeiten der Erfolge von Fifty Shades of Grey und ähnlichen einfach immer sehr gezwungen, frei nach dem Motto „Sex sells“, ich persönlich finde diese aber immer zu aufgesetzt und überbewertet. Auch ist parallel immer von zwei verschiedenen Fällen die Rede, und eigentlich wartet man die ganze Zeit nur darauf, dass beide zusammenlaufen, was aber sehr schwierig ist. Auch finde ich es schade, dass man eigentlich als Leser nicht mitraten kann, wer der Mörder sein könnte. Das ist eigentlich für mich immer der Reiz an Krimis - herauszufinden, ob man mit seinen Vermutungen Recht hatte. Dies bleibt dem Leser hier leider verwehrt. Dennoch sind die Charaktere sehr interessant entwickelt und dadurch ist es eine nette, leichte Kost für den Sommer, aber bestimmt kein Muss…

Wirklich schade finde ich allerdings mal wieder, wie unpassend der deutsche Titel gewählt wurde. Um Rache geht es hier nämlich gar nicht, sondern um Angst. Angst vor einem ruinierten Ruf, einer ruinierten Karriere. Der Originaltitel „Original Skin“ trifft es dagegen auf den Punkt, denn, so viel möchte ich an dieser Stelle verraten, bestimmte Tattoos spielen in diesem Fall eine zentrale Rolle. Auch den Aufhänger „Begraben. Aber nicht vergessen.“, der in großen, roten Lettern auf der Rückseite prangt, irgendwie in die Thematik des Buches einzuordnen, will mir einfach nicht gelingen. Mehr scheint es, dass einfach ein spannender Titel und eine fesselnde, krimitypische Aussage auf das Cover sollte, um Leser anzulocken, ohne dass derjenige das Buch wirklich gelesen oder verstanden hat. Schade!