Auf der Flucht

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buecherfan.wit Avatar

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In Alex Bergs Roman “Dein totes Mädchen” hat die Protagonistin Caroline kurze Zeit vorher einen schweren Verlust erlitten. Ihre 27jährige Tochter Lianne wurde von einem betrunkenen Autofahrer überfahren, der Fahrer flüchtete. Caroline verlässt Hals über Kopf Hamburg, lässt dort ihren Partner Thomas zurück, den sie eigentlich heiraten wollte und begibt sich auf Anraten ihrer Tante Andra nach Härjedalen in die schwedische Provinz in das Haus ihrer Kindheit, um das sich ihre Tante während ihrer Abwesenheit gekümmert hatte. Auch vor 28 Jahren war Caroline überstürzt geflohen und hatte Ulf Svensson, den Mann, den sie liebte und heiraten wollte sowie ihre Freunde Maybrit Svensson - Ulfs Kusine - und Björn Nyborg ohne Erklärung zurückgelassen. Ulf Svenssons Leben geriet damals völlig aus den Fugen. Er ging nach Stockholm und machte dort Karriere bei der Polizei. Die Dinge kommen ins Rollen, als Ulf auf einem ihm irrtümlich zugeleiteten Fax Caroline wiedererkennt, die auf dem Weg nach Schweden bei einer Verkehrskontrolle aufgefallen war. Er beschließt, Caroline aufzusuchen und eine Aussprache zu erzwingen. Durch einen Schneesturm sind Caroline und Ulf in dem abgelegenen Haus drei Tage von der Außenwelt abgeschnitten. Hakan Bergström, ein Freund und Kollege von Ulf, macht sich große Sorgen um den Freund und reist ihm nach. Die Dinge eskalieren. Ganz allmählich, im wesentlichen erst zum Ende hin, werden die Geheimnisse der Vergangenheit enthüllt, und meist hinkt der Leser mit seinem Informationsstand etwas hinter den Protagonisten her, die auch jetzt erst und Stück für Stück die entscheidenden Informationen erhalten.

Alex Bergs Roman ist spannend, aber es ist kein Thriller, wie das ursprüngliche Cover den Leser glauben machen wollte. Es ist nicht einmal ein Krimi. Die Autorin erzählt eine komplizierte Familiengeschichte, in der Intrigen, heimtückischer Verrat, aber auch Liebe, Tod und Schuld eine Rolle spielen. Die Geschichte einer großen Liebe, die Jahrzehnte der Trennung unbeschadet übersteht, berührt und rührt den Leser. Es geht um große Gefühle und zerstörte Leben, um Angst, Wut und Schuld. Nach ihrem Weggang aus Schweden war Caroline fast drei Jahrzehnte lang eine Getriebene, die nirgendwo sesshaft werden, aber auch nicht dahin zurückkehren konnte, wo sie eigentlich sein wollte. Ihrer Tochter hat sie nur Lügen über die Vergangenheit erzählt und auch sie um einen wichtigen Teil ihres Lebens betrogen, ehe sie nach einem Streit mit der Mutter ums Leben kam.

Der Roman enthält außer großen Gefühlen auch beeindruckende Beschreibungen der wunderschönen schwedischen Landschaft, die von Ortskenntnis und Liebe zum Land zeugen. Man hätte dem Buch noch etwas gründlichere Lektoratsarbeit zur Beseitigung von sprachlichen Unebenheiten gewünscht (z.B. “… und missfallend die Ansammlung leerer Flaschen in der Küche betrachtet.” S. 340). Insgesamt ist der Roman aber durchaus zu empfehlen.