Die langen Schatten der Vergangenheit

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theresia626 Avatar

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In „Dein totes Mädchen“, dem neuen Roman von Alex Berg – Stefanie Baumm –, wird die Geschichte von Caroline Wolff erzählt. Caroline und Ulf Svensson, als Jugendliche unsterblich ineinander verliebt, wurden vor achtundzwanzig Jahren durch die überraschende Flucht Carolines aus ihrem Heimatdorf Härjedalen getrennt. Nicht einmal ihrer besten Freundin Maybrit, Ulfs Cousine oder deren Freund, Byörn Nyberg, der schon immer eine Schwäche für Caroline hatte, lässt sie später ein Lebenszeichen zukommen. Maybrit suchte monatelang vergeblich nach ihr, und auch Ulf dreht jeden Stein auf der Suche nach Caroline um. Damals verbrachten die vier Freunde viel Zeit miteinander. Caroline zweifelte schon früh daran, jemals in der alt eingesessenen Familie Svensson einen Platz zu finden. Später kann sie mit ihrer Tochter Lianne nirgendwo auf der Welt sesshaft werden.

Jetzt flieht Caroline mit ein paar Habseligkeiten aus Hamburg und kehrt in das Haus ihrer verstorbenen Eltern zurück. In der Abgeschiedenheit der skandinavischen Wälder will sie den Verlust ihrer Tochter Lianne, die durch einen Verkehrsunfall im Alter von nur siebenundzwanzig Jahren ums Leben kam, verarbeiten. Der Fahrer des Unfallautos beging Fahrerflucht. Sie musste fort von allem, sie ist zerrissen von Trauer und Schmerz. Andra, die jüngste Schwester ihres Vaters, hatte sie in dieses Haus voller Erinnerungen geschickt. Es sind die Erinnerungen vor allem an die Zeit vor Liannes Geburt. Auch nach dem Tod ihrer Eltern, der wie Liannes ein Unfall war, hatte sie sich in das Haus am Bergsee zurückgezogen. Doch damals war sie nicht so allein wie heute. Die zentrale Verkehrsaufsicht leitet ein Radarfoto fehl, das auf dem Schreibtisch von Ulf landet. Er erkennt Caroline und macht sich auf in seine alte Heimat, die er selbst das letzte Mal vor fünf Jahren besucht hat. Als er ankommt, erreicht ihn von seinem Freund und Kollegen Hakan Bergström eine schockierende Nachricht, die Caroline betrifft. Hin- und hergerissen zwischen Liebe und Pflichtgefühl verlangt er eine Aussprache, und als beide durch einen Schneesturm für drei Tage von der Außenwelt abgeschnitten sind, spitzt sich die Lage dramatisch zu.

Sich vor seiner Vergangenheit zu verstecken ist aussichtslos. Das erfahren die Protagonisten in Alex Bergs Roman „Dein totes Mädchen“ schmerzlich am eigenen Leib. Ulf, der zu Jähzorn neigt und den der Verlust seiner Jugendliebe fast aus der Bahn geworfen hätte, arbeitet jetzt bei der Mordkommission im Stockholmer Polizeipräsidium. Er liebt Caroline noch immer, und keine andere Frau konnte jemals sein Herz erobern. Maybrit, die durch den Tod ihres tyrannischen, hinterhältigen und machtbesessenen Großvaters ein kleines Vermögen geerbt hat, lebt ohne finanzielle Sorgen zurückgezogen auf dem Land ihrer Vorfahren. Ihre Liebe gilt ausschließlich dem Land auf dem sie wohnt, nicht aber den Menschen. Björn ist gleichfalls mit seiner schwedischen Heimat tief verwurzelt, und mit Maybrit über die vielen Jahre hinweg immer noch sehr eng befreundet. Im Gegensatz zu Maybrit nimmt er Caroline mit offenen Armen auf.

Alex Berg hat keinen Thriller, dafür aber einen gut zu lesenden, spannenden und zu Herzen gehenden Familienroman mit Krimielementen und dramatischen Wendungen geschrieben. Ihre intensiven Landschaftsbeschreibungen runden das Bild ab. Sie nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit, in der Intrigen eine große Rolle spielen und eine Tragödie auslösen. Es ist eine Geschichte über eine innige Liebe, Verlust, Verrat, Schuld und Selbstjustiz, die nicht für alle ein glückliches Ende nimmt. Am Ende werden den Beteiligten jedoch endlich die Augen geöffnet, und sie haben eine Chance auf einen Neubeginn. „Dein totes Mädchen“ ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Mich hat der Roman sehr bewegt und ich habe ihn gern gelesen.