Eher Psychodrama als Thriller - Dein Totes Mädchen

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mrs-lucky Avatar

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„Dein totes Mädchen“ von Alex Berg ist kein klassischer Thriller sondern eher ein Psychodrama mit Thrillerelementen, das nach und nach das bewegende Schicksal der Hauptprotagonistin aufdeckt. Caroline Wolff, genannt Lilly, hat als Tochter einer deutschen Mutter und eines schwedischen Vaters viel Zeit im schwedischen Härjedalen verbracht und dort Anschluss an die Jugend des Ortes gefunden. Mit 20 ist sie sogar mit Ulf verlobt, als sie plötzlich ohne eine Erklärung das Land verlässt und spurlos verschwindet. Erst 28 Jahre später kehrt sie in ihr Elternhaus zurück, um dort Zuflucht und Ruhe zu finden nach dem tragischen Tod ihrer Tochter. Schnell wird jedoch klar, dass sie dort von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Als Ulf, der inzwischen als Kriminalkommissar in Stockholm arbeitet, zufällig von Lillys Rückkehr erfährt, reist er ihr nach, um endlich Erklärungen zu bekommen. Ihr Wiedersehen verläuft jedoch anders als erwartet, Lilly ist auch jetzt nicht bereit, über ihre Vergangenheit und ihre Entscheidungen zu sprechen. Und dann bekommt Ulf auch noch Informationen, die ein ganz anderes Licht auf Carolines plötzliches Auftauchen werfen.

Da mich die Einstufung als Thriller zunächst irritiert hat, habe ich eine Weile gebraucht, mich auf das Buch einzulassen. Dann hat mich die Geschichte jedoch sehr gefesselt. Anfangs weiß der Leser nur sehr wenig über Caroline, nach und nach wird mehr über ihre Geschichte aufgedeckt. Dabei arbeitet die Autorin sehr viel mit Andeutungen, die den Leser im Unklaren über Carolines Motivation lassen. Dass mehr hinter Carolines Flucht steckt als der Tod ihrer Tochter wird schnell klar, zu sehr wirkt sie von Schuldgefühlen belastet. Eine Zeitlang fand ich dieses Hinauszögern von Informationen okay, im Verlauf hat mich hat dieses Stilmittel genervt, weil zu Vieles zu lange im Unklaren bleibt. Andrerseits passt das aber zu Carolines verschlossenem Charakter. Sie wirkt unfähig, über ihre Emotionen zu sprechen und Menschen an sich heran zu lassen. Wenn es eng für sie wird, ergreift sie lieber die Flucht. 

Der Roman ist sehr stimmungsvoll und emotionsgeladen. Ruhige Momente wechseln ab mit dramatischen Ereignissen. Die Charaktere wirken authentisch, der emotionsgeladene Ulf bietet einen deutlichen Kontrast zu der verschlossenen Caroline, letztendlich wirkt das Verhalten beider Hauptpersonen schlüssig und nachvollziehbar. Ich konnte mich als Leser gut in die Figuren hineinversetzen, ihr emotionaler Konflikt war so greifbar, dass ich mit ihnen mitgelitten habe. Bei all dem wird der Roman nie kitschig, die düstere Kulisse des verschneiten Schwedens unterstreicht die teils depressive Stimmung.

Auch wenn die Geschichte in einigen Teilen etwas konstruiert wirkt, hat mich der Roman insgesamt gefesselt, so dass ich mir die Autorin merken werde.