Von Schuld und Sühne

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caillean79 Avatar

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In „Dein totes Mädchen“ begleiten wir Caroline, eine vom Leben gezeichnete Frau, auf ihrer Reise durch Schuld, Rache, verdrängtes Leid und Verbitterung. Wie man im Laufe des Romans erfährt, hatte sie es nicht leicht auf ihrem Lebensweg und das einzige, was ihr Halt gegeben hat, war ihre Tochter Lianne. Sie hat sie allein und gegen alle Widrigkeiten zu einer selbstbewussten jungen Frau erzogen. Als Lianne mit 27 Jahren durch einen Fahrradunfall stirbt, gerät Carolines Welt aus den Fugen.

Das ist der Punkt, an dem die Geschichte einsetzt. Der Leser weiß von Carolines Verlust, versteht ihre Sehnsucht, an den Ort ihrer (unbeschwerten?) Kindheit zurückzukehren und gönnt ihr die Stille der schwedischen Winterlandschaft. Doch nach und nach tauchen Personen aus Carolines Jugendzeit auf. Man ahnt, dass mehr hinter der Geschichte steckt als „nur“ der Verlust der Tochter. Im Laufe des Buches erfährt man Stück für Stück die Hintergründe für Carolines Verhalten und leider kann das Ende dann auch folgerichtig nur so sein, wie Alex Berg es geschrieben hat. Alles andere möchte man den handelnden Personen nicht zumuten…

Ich habe den Roman am Anfang sehr spannend gefunden. Die Atmosphäre des skandinavischen Winters und der Einöde, in der das Buch spielt, passten zu der geheimnisvollen Geschichte. Zwischendurch ging mir dann irgendwie die Spannung mal ein Stück verloren, aus meiner Sicht wurde etwas zu früh offenbart, warum Caroline tatsächlich in das kleine Dorf geflohen ist. Leider konnte ich mir den Grund schon ein ganzes Stück eher denken, als es im Roman thematisiert wurde – auch das hat mir ein Stück Spannung genommen.

Gut getroffen fand ich Ulf, den Polizisten, der durch Zufall wieder auf seine Jugendliebe aufmerksam wird und ihr an den Ort des Geschehens folgt. Er ist ein sympathischer Typ, auch wenn die Autorin sich alle Mühe gibt, ihm mit einer gewissen Neigung zum Alkohol und einem Jähzorn, der auch mal ins Gewalttätige ausarten kann, Ecken und Kanten zu geben.

Schade fand ich, dass relativ wenig Nebenhandlung stattfand. Mich hätte beispielsweise interessiert, was andere Dorfbewohner (in der Einsamkeit Schwedens ja bestimmt eine eingeschworene Gemeinschaft) von der Rückkehrerin nach fast 30 Jahren halten. Da wurde doch bestimmt getuschelt und getratscht??? Davon merkt man leider nicht viel – die Autorin konzentriert sich hier sehr auf ihren Plot.

Der Schreibstil war aus meiner Sicht sehr solide und einem Skandinavien-Thriller angemessen. Leider verliert sie sich bei dem schwermütigen Ende ein wenig in Klischees und Kitsch (zumindest zuviel Kitsch für einen solchen Roman – für meine Begriffe).

Ein Wort noch kurz zum Titel: Ich hätte mir das Buch wahrscheinlich im Buchladen nicht näher angeschaut. Finde den Titel überhaupt nicht gelungen. Wenn man das Buch gelesen hat, weiß man zwar, was er bedeutet (insbesondere die Ansprache "dein" totes Mädchen) - aber irgendwie hat er bei mir so gar nicht gezündet.

Tja… beim Bewerten bin ich mir unschlüssig. Drei Sterne erscheinen mir zu wenig, vier fast schon zu viel. Angesichts des guten Settings und des interessanten Ulf entscheide ich mich aber für vier :-) Eine gute Wahl für Liebhaber von Spannungsliteratur aus dem kalten Norden.