traurige Kindheit

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meerglas Avatar

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Demon hat von Anfang "Hier!" gerufen, als der liebe Gott das Pech verteilt hat. Geboren in einem Wohnwagentrailer als Sohn einer Junkiebraut übernimmt er die Lasten, die ihm das Leben auferlegt hat. Er kümmert sich um die lebensuntüchtige Mutter und trägt ihre Verantwortung mit. Als dann der Stiefvater übergriffig wird und die Mutter immer weniger in der Lage ist sich um ihren Sohn zu kümmern, kommt dieser in Pflegefamilien, die ihn als Hilfskraft ausbeuten oder im besten Fall das Geld wollen, was er als Pflegekind einbringt. Demon muss während seines Aufwachsens viele Verluste und Schicksalsschläge einstecken. Seine Umwelt ist geprägt von Hoffnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit und Tablettensucht. Lediglich sein letzter Vormund und seine Kunstlehrerin geben ihm eine Perspektive. Demon avanciert zum Footballstar und zeigt außerdem ein großes künstlerisches Talent, was seinem Leben eine neue Richtung aufzeigt, bis ihn ein Vorkommnis aus der Bahn und sein Leben zum Trudeln bringt.

Mmh. Ich war von diesem Roman zuerst begeistert. Demon als Junge fand ich bewundernswert. Ich mochte seinen wachen Verstand, seine Resilienz und seine mit perspektivischen Abstand und fast plaudernden Erzählton. Und genau das ist mir im Laufe der Geschichte zusehends auf den Wecker gegangen. Er erlebt so schreckliche Dinge und wirkte dabei auf mich fast teilnahmslos, als würde er sein Leben gar nicht richtig fühlen. Möglicherweise hat Barbara Kingslover dies als Stilmittel eingesetzt um das Abgestumpftsein und die Lethargie hervorzuheben. Mich hat es aber irgendwie gestört, und ich habe ab der Mitte des Buches den Bezug zu Demon verloren. Ich kann auch nicht verstehen, warum man diesem Buch den Pulitzerpreis verliehen hat. Schön, es zeigt Missstände in der amerikanischen Gesellschaft auf und ist ein modernes Pendant zu David Copperfield. So ganz kann ich mich trotzdem nicht der Begeisterung anschließen. Kingslover kann erzählen und der Roman ist facettenreich. Trotzdem hatte die Geschichte für mich zu viele Längen und gleichzeitig konnte ich einige Aspekte nicht nachvollziehen.

* Achtung, Spoiler! *
Mir ist nicht ganz klar, wie Demon in die Abhängigkeit geraten ist. Der Sportunfall und falsche Freunde, aber das ist in der Erzählung gar nicht richtig ausgearbeitet, sondern wird eher beiläufig erwähnt. Dieses Phänomen begegnete mir ein paar Mal während des Lesens. Auch hier könnte es natürlich ein Stilmittel sein um zu veranschaulichen, wie Demon immer mehr den Kontakt zu sich verliert. Ich befürchte aber, dass ich da zuviel in den Schreibstil reindichte.

Alles in allem ist der Roman für mich gut und auch empfehlenswert, wenn er etwas weniger Längen gehabt hätte.