Was Drogen mit Menschen machen

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arnoe Avatar

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Barbara Kingsolver schreibt über die Gegen aus der sie entstammt, die uns Europäern so fremd ist, da wir sie höchstens verzerrt und überspitzt aus irgendwelchen Filmen und Serien kennen.
Die Hillbillys sind ein Begriff und wenn man das Buch gelesen hat, wird man vielleicht auch verstehen, warum in den USA so gewählt wird, wie die Amerikaner es tun.
Die Appalachian Region, die hier Ort des Geschehens ist, ist eine Landschaft, in der Menschen so leben, wie sie es schon immer getan haben. Einfach, ohne die großen Zusammenhänge der Weltgeschichte. So betrifft der 11. September den jungen Demon Copperhead nur insoweit, als plötzlich noch mehr Army-Anwerber in den Schulen auftauchen, um junge Männer in den Kampf gegen das Böse zu ziehen.
Demon Copperhead, Kind einer drogensüchtigen Mutter, beschreibt sein eigenes Leben als Kind, Jugendlicher und hunger Erwachsener.
Die Themen, die Frau Kingsolver dabei abhandelt sind das Pflegeproblem, die mangelnde Gesundheitsvorsorge, die Macht der Pharmaindustrie und die Probleme Heranwachsender ohne jegliche Perspektive.
So ist es nur folgerichtig, dass Demon, der bei verschiedenen Pflegeeltern unterkommt, von denen man einige nicht als Eltern bezeichnen sollte, sehr schnell zu leichten Drogen greift. Er wird von Ort zu Ort verschleppt, lernt Kinder kennen, die in ähnlichen Situationen aufgewachsen sind und die ihm immer wieder begegnen werden.
Sein Abstieg scheint unaufhaltsam, bis eine Lehrerin sein Talent fürs Zeichnen entdeckt und fördert und er bei einem Footballcoach unterkommt, der ihn zu einem Star in seiner Mannschaft machen wird.
So läuft der American Dream. Der Underdog, der die Mannschaft an die Spitze führen wird, und so aus seinem Elend erlöst wird.
Wie eine Karotte, hängt dieser Wunsch vor Demon Copperhead, der natürlich nicht in Erfüllung geht.
Es folgen seitenlange quälend mitzulesende Episoden in seinem Leben aus Drogensucht und der Verantwortung für seine Freundin.
Mehrfach musste ich pausieren, weil es so schrecklich mitzulesen war, was geschah, wobei die Sprache von Frau Kingsolver durchweg einfach und wenig emotional war. Das brauchte es aber auch nicht, um die Opioidepidemie in den USA zu veranschaulichen.
Angelehnt an den Roman David Copperfield hangelt sich das Buch Kapitel für Kapitel bis zum endgültigen Absturz und der Erkenntnis, dass Demon ohne Hilfe niemals von der Sucht wegkommen würde.

Ich tue mich schwer, eine Leseempfehlung abzugeben. Dabei ist das Buch herausragend und hat zu Recht den Pulitzer-Preis gewonnen. Allerdings ist das Thema sehr amerikanisch und so erklärt sich die Preisverleihung zum Teil.
Es ist gute amerikanische, typisch amerikanische Literatur und wer kein Problem mit unterschiedlichsten Triggerwarnungen hat, darf sich an einem guten Text erfreuen.