Zurecht ausgezeichnet!

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nathalielamieux Avatar

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„David Copperfield“ von Charles Dickens ist Weltliteratur. In dem 1850 erschienenen Buch erzählt der Protagonist David Copperfield im Rückblick seine Lebensgeschichte und startet dabei mit seiner Geburt. Dabei erzählt nicht nur die Hauptfigur David aus seiner jeweiligen Perspektive (vom Kind bis zum erwachsenen Mann), sondern auch der Erzähler David, der mit größerem zeitlichen Abstand die Ereignisse kommentiert. Eindrücklich wird die Geschichte des Waisenkinds, der Demütigungen und Ängste der Kindheit und die sozialen Missstände erzählt. Diese literarische Vorlage inspirierte Barbara Kingsolver dazu, diesen Stoff zeitlich und geographisch neu zu verorten. Herausgekommen ist „Demon Copperhead“, übersetzt aus dem Englischen von Dirk von Gunsteren. Dieses Werkt erhielt 2023 sogar den mit Hernan Diaz „Treue“ den zweigeteilten Pulitzerpreis. Zurecht? Auf jeden Fall.
Doch worum geht es?
Die Autorin verlegt die Handlung nach Appalachia, die Region um die Appalachen, die über mehrere US-Bundesstaaten verteilt ist, aber wie bspw. die Kohleabbaugebiete sehr ähnlich kulturell und geographisch aufgebaut sind. Als Hillbillys und Hinterwäldler wurden die Bewohner beschimpft, denen sie in ihrem Buch nahekommen möchte. Die stigmatisiert werden, da sie durch ihre häufige Selbstversorgung weniger Steuern bezahlen und den Rest der Welt irgendwie nicht interessieren. Gerade, als die Opioidepidemie Appalachia und ihre Kultur und Familien zerstörte…
In einem Trailer in den Wäldern Virginias kommt Demon Copperhead zur Welt. Der Vater ist bereits tot, die Mutter selbst noch Teenie und frisch auf Entzug. Beste Startvoraussetzungen also. Die Nachbarsfamilie ist ihm Zuflucht, der dortlebende Maggot sein bester Freund. Es könnte also aufwärts gehen – tut es natürlich nicht. Die Mutter stirbt und Demon beginnt seine Odysee durch das Pflegesystem Amerikas. Er ist willensstark und hat Überlebenswillen und so begleiten wir ihn auf seiner Reise zum Erwachsensein manchmal mit angehaltenem Atem. Er schlägt sich durch, überlebt wieder und wieder und wenn es scheint, dass es bergauf geht, geht es wieder bergab. Bis er irgendwann die Schmerzen einer Footballverletzung mit Medikamenten betäuben muss, da er keine Krankenversicherung hat, die eine Operation bezahlen würde…
Dieser Roman ist zurecht ausgezeichnet worden. Die 832 Seiten lesen sich atemlos. Gleichzeitig fassungslos begleiten wir sein Straucheln und Aufstehen und die Missstände in Pflege, Schulwesen, Krankenversorgung und die Opioidkrise. Dabei ist der Roman so flott geschrieben, dass er großen Spaß macht. Demon kommentiert in der gleichen Perspektive wie David Copperfield seine eigene Geschichte, fängt ebenfalls bei der eigenen Geburt an und berichtet über ähnliche Stationen: Kindheit, Aufwachsen/Ausbildung, Ehe/Partnerschaft, Neuanfang. Viele Namen erinnern an das Origina:l David /Demon, Copperfield/Copperhead, Daniel Peggotty/ Magott, Emily/Emmy Dora/Dori und einen wichtigen Tommy gibt es in beiden Werken. Freude macht auch die Hoffnung, die das Gestalten eines Comics für Demon macht und so die Anklänge an einen Bildungsroman gibt.
Ich habe dieses Buch wirklich gerne gelesen!