Der böse Samen vergeht nicht in der Erinnerung

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kleinfriedelchen Avatar

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Alice ist überrascht, als ihr Exfreund Joe sich nach drei Jahren plötzlich wieder bei ihr meldet. Doch nicht, um über gute alte Zeiten zu reden, sondern um seine neue Freundin Ginny bei Alice einzuquartieren. Widerwillig lässt sie sich dazu breitschlagen und bereut ihre Entscheidung fast sofort. Denn Ginny ist mit ihren wallenden roten Haaren nicht nur atemberaubend schön, sondern auch von einer unheimlichen Aura umgeben. Als sie das scheinbar so schüchterne Mädchen später mit  düsteren Kerlen um die Häuser ziehen sieht, Injektionsspritzen und ein seltsames altes Tagebuch in ihrem Schrank findet, ahnt Alice, dass Joe keinen Schimmer davon hat, wer seine Freundin wirklich ist. Und dass Ginny gefährlich ist.

In einer früheren Zeit:

Daniel Holmes glaubt seinen Augen kaum, als er die junge Frau aus dem Fluss zieht und ihr so das Leben rettet. Das blasse Wesen erscheint ihm wie ein wunderschöner Engel. Das findet allerdings auch sein bester Freund Robert, der sich Hals über Kopf in Rosemary, wie sie sich nennt, verliebt. Doch bald schon vergisst Daniel den Betrug seines Freundes, als er Rosemary in der Gesellschaft düsterer Männer wiederfindet und auch er selbst immer mehr in ihre Geheimnisse eintaucht…

Aufgrund der Bitten von Fans und nicht zuletzt wohl auch aufgrund des immer noch andauernden Vampir-Hypes wurde Joanne Harris‘ Erstwerk erneut aufgelegt. Harris selbst sagt über dieses Buch, dass es „keine Literatur im eigentlichen Sinn“ sei. „Es ist das vergleichsweise unreife Werk einer Autorin, die ihren Stil noch finden muss“. Und ganz ehrlich, genau dieses Gefühl hatte ich beim Lesen auch.

Den ständigen Wechsel der Erzählperspektive zwischen Alice und Daniel fand ich nach einer gewissen Zeit eher nervig, da dadurch immer entweder die Handlung in der Gegenwart oder in der Vergangenheit abrupt unterbrochen wurde und ich das Gefühl hatte, nicht voranzukommen. Auch erzählt Daniel, ganz im Geiste seiner Zeit, sehr detailliert, blumig, schwülstig. Realität und Traum vermischen sich in seinen Erinnerungen und machen das Lesen eher zäh.

Abgesehen vom für mich nicht leicht zu lesenden Schreibstil fand ich die Geschichte aber recht gut. Die Vampire in diesem Buch sind keine weichgespülten Romantiker, die seit Jahrhunderten nach der einzig wahren Liebe suchen, sondern blutrünstige Monster hinter schöner Fassade, die kein Problem damit haben, einen Menschen regelrecht zu zerfleischen, um sein Blut zu trinken. Das fand ich erfrischend, wenn auch blutig. Ein bisschen mehr Spannung hätte dem Buch trotzdem gut getan. Da man viel über Rosemary in Daniels Erzählungen erfährt, fehlt mir das Mysteriöse in der Gegenwart, da man eh schon weiß, was mit Ginny los ist.

Mein Fazit: Joanne Harris hat ein gutes, aber nicht herausragendes Erstlingswerk erschaffen, das sich von den vielen auf dem Büchermarkt zu findenden Vampirromanen abhebt.