Faszinierend, ungewöhnlich...Rosemary...

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sueorange Avatar

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Daniel Holmes beschreibt sich selbst als nicht besonders phantasiebegabt, als weder morbide noch überempfindlich, diese Eigenschaften hätte er erst durch Rosemary entwickelt. Seine erste Begegnung mit Rosemary hatte er im Frühjahr 1947, er war 25 Jahre alt und schrieb an seiner Doktorarbeit. Als er über die Magdalene Bridge ging, hörte er ein Geräusch und sah eine junge Frau im Wasser. Er rettete dieser Frau das Leben und das war Rosemary. Sie faszinierte ihn von Anfang an. Da jedoch eine heftige Erkältung ihn ans Bett fesselte, bekam er nicht mit, wie sein bester Freund Robert, dem er Rosemary kurz zuvor vorgestellt hatte, selbst immer mehr in ihren Bann geriet. Zumindest für Daniel wurde bald darauf sichtbar, dass Rosemary nicht nur geheimnisvoll, sondern auch sehr einnehmend und gefährlich sein konnte.

 

Parallel zu Daniels Erzählstrang wird die Gegenwart aus der Sicht der Malerin Alice beleuchtet. Drei Jahre nach der Trennung sieht sie ihren Exfreund Joe in einem Teashop in Begleitung einer wunderschönen Frau. Ungesehen von den Beiden flüchtet sie daraufhin und läuft einfach ohne Ziel durch die Gegend. Sie landet bei einer Kirche und einem angrenzenden Friedhof. In dem neueren Teil des Friedhofs entdeckt sie ein Grab zwischen zwei Bäumen mit einer besonderen Widmung:

 

**"Etwas in mir erinnert sich und wird nicht vergessen".**

 

**"Rosemary Virginia Ashley 1948".**

 

Zwischen Efeublättern entdeckt Alice einen kleinen Anhänger mit der Aufschrift:

 

**"Rosemary in Erinnerung"**

 

statt ihn zurück zu legen, steckt sie ihn in ihre Tasche. Zu Hause überfällt sie ein wahrer Schaffensdrang, seit einem halben Jahr hatte sie nichts Ernsthaftes mehr gemalt. Nun zeichnet sie, wie im Rausch, eine Mädchengestalt mit dichtem, rotem Haar, barfuss, mit einem langen weißen Kleid, im Hintergrund zwei schemenhaft skizzierte Bäume und eine vermutlich männliche Gestalt.

 

Joe meldet sich unerwartet bei Alice und bittet sie Ginny, seine neue Freundin, vorübergehend bei sich wohnen zu lassen, da sie sich im Moment keine Bleibe leisten könne und bei ihm Frauenbesuch nicht erlaubt sei. Gutmütig lässt sich Alice darauf ein, doch schon bald werden ihre anfänglichen Bedenken immer mehr verstärkt. Ginny verfügt neben ihrer zurückgenommenen, stillen Art noch über eine andere Seite, die bis jetzt scheinbar nur Alice wahrgenommen hat. Sie treibt sich nachts mit zwielichtigen Freunden an dunklen Orten herum, trägt vollkommen andere Klamotten, wenn Joe nicht dabei ist und unterscheidet sich von ihrem Wesen auch vollkommen. Beunruhigt durchsucht Alice Ginnys Zimmer und findet dort ein Tagebuch aus den vierziger Jahren. Das Tagebuch, das Daniel Holmes damals als seine letzte Trumpfkarte bezeichnete.

 

**Joanne Harris** hat diesen Roman mit dreiundzwanzig Jahren geschrieben, sie hatte gerade nach dem Studium ihre erste Stelle als Lehrerin und betrachtete das Schreiben als Herausforderung. „Denk an mich in der Nacht“ wurde damals unter dem Titel „The Evil Seed“ veröffentlicht. **Joannes** Mutter nannte es nur „Das schreckliche Buch“. Auf Anfragen ihrer Leser nahm sich **Joanne Harris** nun zwanzig Jahre später wieder ihrem Erstlingswerk an und nach ein paar kleinen Änderungen, wurde es nun wieder veröffentlicht.

 

Die Geschichte ist in zwei Handlungsebenen unterteilt, Vergangenheit und Gegenwart, die durch das Tagebuch miteinander verbunden werden. Die bildhafte, blumige Sprache der Autorin hat mir besonders gut gefallen. Manches erschien mir nicht ganz logisch und man merkte schon, dass sie ihren Schreibstil zu der Zeit, als sie es schrieb, noch nicht ganz gefunden hatte. Auch erzählt sie recht detailverliebt, lässt jedoch Dinge auf die sie das Augenmerk richtete, später leider teilweise im Sande verlaufen. Trotz dessen hat dieses Buch eine ganz eigene Ausstrahlung, etwas schön düster, magisches haftet ihm an. Ich finde es hat sich gelohnt, dass die Autorin es noch einmal aus der Schublade hervor holte.

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**Joanne Harris** , geboren 1964, hat eine französische Mutter und einen englischen Vater. Sie studierte in Cambridge und arbeitete fünfzehn Jahre lang als Lehrerin, bevor sie mit ihrem dritten Roman „Chocolat“ zur Bestsellerautorin wurde. Ihre Romane wurden in über vierzig Sprachen übersetzt. Mit „Denk an mich in der Nacht“ erscheint ihr Debütroman erstmals in deutscher Übersetzung.