nachdenklich stimmend, bewegend

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daydreamerin Avatar

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Amy ist gefangen in ihrem Schmerz und ihrer Traurigkeit. Es fällt ihr schwer sich aufzuraffen, nach vorn zu sehen und wieder zu leben. Zu intensiv ist der Verlust, zu quälend die Einsamkeit und Leere in ihr und in ihrer Wohnung. Als sie spontan zu einem zweiwöchigen Segeltrip zusagt, ist sie sich gar nicht sicher, wieso sie sich überhaupt darauf einlässt. Abgesehen von Collin kennt sie die anderen Mitreisenden kaum. Doch spielt es wirklich eine Rolle an welchem Ort sie traurig und verloren ist? Auf dem Wasser hat sie den Schauplatz ihrer Albträume zumindest nicht ständig vor Augen.
Allerdings hatte sie auch nicht damit gerechnet, dass Mian ihr so extrem unter die Haut gehen würde. Obwohl sie schon vor dem Trip gespürt hat, dass er besonders ist und obwohl ihr das in gewisser Weise auch Angst macht, ist sie auch fasziniert von dem Mann, der ihre Seele so schonungslos und doch behutsam zu entblößen weiß.

Diese Geschichte ist auf jeden Fall besonders und sie war auch anders, als ich es erwartet hatte. Es gibt eine deutliche übernatürliche Komponente, die sich durch den Großteil der Handlung zieht, die Figuren und ihre Leben beeinflusst. Ich war davon zwar überrascht, aber es hat mich nicht gestört und ich konnte mich gut auf diese Aspekte einlassen. Ich persönlich finde, man muss auch nicht im Detail an all das glauben, was dort geschrieben steht, um die Geschichte mögen zu können. Denn trotz des Übernatürlichen, dem Spirituellen, dem Glauben fremder Kulturen und den Symbolen, die zum Beispiel Schutz versprechen können, steckt doch viel Wahrheit und Tiefe in dem Buch und der Handlung an sich. Selbst wenn man seinem Gegenüber nicht tief in die Seele schauen kann, so stimmen viele der Sachen, die gesagt werden eben einfach und es hat mich im Verlauf des Lesens zugleich nachdenklich und traurig, als auch hoffnungsvoll und zuversichtlich gestimmt.

In dem Buch gibt es verschiedene Figuren, die über die Handlung hinweg begleitet werden. Einige kommen dabei häufiger zu Wort, andere bleiben ein wenig im Hintergrund. Abgesehen von Amy werden alle Perspektiven durch einen personalen Erzähler geschildert, der es ermöglicht, die unterschiedlichen Stränge der Handlung zu überblicken und mehr zu erfahren, als nur Amy dem Leser berichten könnte. Amy fungiert in ihren Kapiteln als Ich-Erzählerin und nimmt einen dadurch besonders intensiv mit. Stück für Stück erfährt man, was mit der jungen Frau passiert ist, was sie so erschüttert und aus dem Leben gerissen hat und wie sie sich, durch die Hilfe der anderen, langsam wieder ins Leben zurück kämpft, bis sie dann gezwungen ist, für ihre Begleiter stark zu sein, als diese es nicht mehr können.
Neben den aktuellen Geschehnissen gibt es auch Ausflüge in die Vergangenheit, in denen man mehr über die Familie von Mian und Jano lesen kann. Ihre Geschichte ist faszinierend und erschreckend gleichermaßen. Ihre Kindheit und Jugend war oft schwer, sie wurden gehänselt und weggestoßen, niemand hat ihnen Glauben geschenkt und das hat viel in den Brüdern ausgelöst. Es ist auch in der Gegenwart für die beiden kein Kinderspiel mit ihren Fähigkeiten klar zu kommen. Trotzdem sind sie tolle Charaktere, die ich gern begleitet habe. Besonders Mian ist mir schnell als Herz gewachsen. Auch wenn seine Gabe einem Angst machen kann, so weiß er doch auch einfach, wie er mit dem, was er weiß, umgehen muss, damit die Menschen irgendwann, wenn der erste Schock, der Frust, die Wut und der Unglaube überwunden sind, annehmen, was wahr ist.

Über einige Figuren hätte ich gern noch etwas mehr erfahren, besonders über Marie und Collin. Daher fand ich den Hinweis am Ende des Buches, dass es für sie und Jayden eine eigene Geschichte gibt, sehr hilfreich. Ich könnte mir gut vorstellen auch diese zu lesen, um mehr darüber zu erfahren, was in ihren Leben vor sich gegangen ist. Denn dass auch Marie ihr Päckchen zu tragen hat, wird mehrfach im Buch angedeutet, jedoch nicht intensiviert.

Umso weiter das Buch voranschreitet, umso dramatischer, turbulenter und aufwühlender wurden die Ereignisse. Der Segeltrip verläuft nicht, wie ursprünglich geplant, in vielerlei Hinsicht. Und doch passieren auch einige Dinge, mit denen man gerechnet hat. Auf dem Wasser kann man wunderbar nachdenken und träumen, sich kennenlernen oder streiten, sich den eigenen Geistern stellen und die der anderen erleben… Ich möchte nicht zu viel darüber verraten, aber wurde von der Geschichte sehr gut und intensiv mitgenommen. All die unterschiedlichen Emotionen waren für mich deutlich spürbar und zum Ende des Buches brauchte ich auch ein Taschentuch. Bei mir hat das Buch auf jeden Fall einen Nerv getroffen, trotz der übernatürlichen Aspekte. Besonders schön fand ich auch die Zitate am Anfang eines jeden Kapitels, die nicht nur etwas darüber verraten, was passiert, sondern auch einfach viel Wahrheit enthalten und teilweise nachdenklich stimmen.
Fazit

Eine sehr schöne, bewegende, aufwühlende und nachdenklich stimmende Geschichte, die mich von Beginn an gut mitgenommen hat. Ich mochte die Figurenkonstellation, auch wenn ich über einige Charaktere gern noch mehr erfahren hätte und sie mir etwas blass blieben. Besonders ins Herz geschlossen habe ich Mian und Jano, die beiden Brüder sind einfach besonders. Aber auch Amy war für mich gut greifbar.
Schön fand ich sowohl die Passgen, die zum Nachdenken anregen, als auch die Situationen, in denen man einfach ganz bei den Protagonisten ist, mit ihnen mitfiebert, sich mit ihnen freut oder trauert, mit ihnen hofft und bangt… Auch wenn das Übernatürliche stets präsent in der Geschichte ist und einem dadurch immer bewusst bleibt, dass da nicht alles realistisch ist, so enthält das Buch doch auch viele Wahrheiten und ehrliche Aussagen. Für mich war es sicher nicht das letzte Buch der Autorin.