Inszenierung mit dramaturgischen Schwächen

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hennie Avatar

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Dennis Lehane wird bescheinigt, ein Meister des Thrillers zu sein. Der vorliegende Roman wird vom Diogenes Verlag als Roman bezeichnet. Für mich war es das erste Buch des hochgelobten Autors. Sein Schreibstil hat mir gefallen, aber die erzählte Story nicht. Ich versuche es zu erläutern. „Der Abgrund in dir“ wurde in drei Teile gegliedert, die für mein Empfinden nicht zusammenpassen. Sie ergeben für mich kein einheitliches Ganzes. In einer Art Prolog erfährt man, dass die Protagonistin Rachel Childs ihren Mann mitten ins Herz schießt. Dann geht es weiter zum
Teil 1 – Rachel im Spiegel 1977 bis 2010
Der Leser wird mit Rachel durch ihre Kindheit mit der dominanten, egozentrischen Mutter geführt, danach auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater mitgenommen. Man erfährt von ihrem totalen Versagen vor laufender Kamera, nachdem sie in Haiti dieses schlimme Chaos nach der Katastrophe erlebte. Sie erleidet ihre erste Panikattacke, der noch viele folgen sollen. Ihr Ehemann Sebastian wendet sich von ihr ab, weil sie nicht mehr die erfolgreiche, vorzeigbare Journalistin ist. Sie trennen sich. Und dann immer wieder Brian. Er scheint es zu spüren, wenn es Rachel schlecht geht und ist wie durch Zauberhand stets zur Stelle...
Teil 2 – Brian 2011 – 2014
Brian und Rachel lernen sich intensiver kennen und heiraten. Trotz seiner Fürsorge verschlimmert sich ihr Zustand. Sie verläßt 18 Monate nicht das Haus, ehe sie es wagt, sich mit einer Freundin zu treffen. Danach geschieht das, was sie dazu bringt, sich mit ihrem Ehemann näher zu beschäftigen. Wer ist dieser Mann? Sie kommt ihm auf die Spur. Am Ende des Teiles 2 sind wir wieder beim Prolog...
Teil 3 – Rachel in der Welt 2014
Rachel wird zu einer Frau, die ich mit den vorangegangenen Teilen nicht in Einklang bringen konnte. Die Geschichte entwickelt sich zu einem Thriller mit für mich unglaubwürdigen Szenen. Auf S. 377 trifft Rachel eine Kugel ins Rückgrat und doch geht es danach munter weiter bis zu einem Ende, dass alles offen läßt...
Da bin ich nun wieder beim gesamten Buch. Mittendrin wollte ich aufhören zu lesen. Selten brauchte ich für ein Buch so lange. Mir fehlte die Struktur, das Gefüge in der Story, der rote Faden, der alles glaubhaft zusammenbringt. Zu viele Handlungsstränge laufen für mich ins Leere, vom Autor werden sie nicht wieder aufgegriffen. Es stellten sich für mich zu viele Fragen, für die ich keine Antwort fand. Meine Interpretationen brachten mich nicht weiter. Einige der Szenen, Zusammenhänge waren für mich nicht logisch. Vor allem im letzten Teil fanden zu viele Inszenierungen mit deutlichen dramaturgischen Schwächen statt. So viel Action auf einmal, so viele Tote! Vielleicht macht sich das in einer Verfilmung sehr gut, aber in einem Buch bin ich da sehr kritisch. Es machte sich bei mir Skepsis breit.

"Der Abgrund in dir" ist ein vielversprechender Titel und setzte bei mir deshalb schon eine gewisse Erwartungshaltung frei. Dem wurde das Buch leider nicht gerecht. Auch durch die unbeteiligte, sehr neutrale Erzählweise und der Draufsicht aufs Geschehen ergriff mich die Geschichte um Rachel nicht. Es war weder eine Liebesgeschichte, die mich berührte, noch ein Thriller, der mich zu packen verstand. Ich werde es nun mit den anderen Büchern von Lehane versuchen.

Ich bewerte mit drei von fünf Sternen.