Ein Strudel von Gewalt und Verrat

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evaczyk Avatar

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Als W.B. Yeats über irischen Nationalismus und den Osteraufstand von 1916 schrieb, da geschah das überaus poetisch ("A terrible beauty is born"). Doch ehe es den Osteraufstand gab, ehe es die IRA gab, gab es im 19. Jahrhundert die Fenians, die gegen die britische Herrschaft in Irland kämpften - auch in den irischen Communities fern der grünen Insel. In seinem Roman "Der Abstinent" schreibt Ian McGuire über den irischen Freiheitskampf aus ungewöhnlicher Perspektive mit viel hartem, düsteren Realismus. Schrecklich ist hier vieles, doch Schönheit sucht man vergebens in dunklen stinkenden Gassen, Besäufnissen, Gewalt.

James O´Connor ist katholischer Ire und Polizist in Manchester - damit ist er überall ein Außenseiter: Für die Iren ist er ein Verräter, für die englischen Kollegen einer, dem sie nicht wirklich trauen. Nach dem Tod seiner Frau hat O´Connor den Halt verloren, ist Alkoholiker geworden. Die Versetzung nach Manchester war auch ein Versuch der Vorgesetzten in Dublin, den so zum Problem gewordenen O´Connor loszuwerden.

Nachdem drei Fenians wegen des Mords an einem Polizisten gehängt wurden, soll O´Connor seine irischen Informanten aushorchen. Denn allen ist klar: Eine Reaktion auf die Hinrichtungen wird nicht ausbleiben. Doch der Mann, der die Toten rächen soll, kommt von weit her: Stephen Doyle, amerikanischer Ire, Ex-Soldat aus dem amerikanischen Bürgerkrieg und voll äußerer und innerer Narben, wird nach England geschickt. Zufällig ist O´Connors Neffe auf dem gleichen Schiff, ein junger Mann, der Irland als Junge verlassen hat und nun eher gezwungenermaßen aus Amerika zurückkehrt.

O´Connors Spitzel haben herausgekriegt, dass ein Kämpfer aus Amerika erwartet wird - doch als die Polizei alle Reisenden aus der Hafenstadt Liverpool überprüfen lässt, ahnen die Fenians, dass es in ihren Reihen Verräter geben muss. Für O´Connor wird die Auseinandersetzung persönlich und obwohl er alles tut, weitere Tote zu verhindern, ist es das Misstrauen der eigenen Kollegen, das eine Abwärtsspirale in Gang setzt.

"Der Abstinent" ist weniger ein Krimi als das Psychogramm zweier Gegenspieler, die jeder auf seine Art kaputte Typen sind. Das Manchester des 19. Jahrhunderts bietet eine Bühne für eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und Gewalt. Auch wenn es um den irischen Unabhängigkeitskampf geht, so zeigt McGuire doch das Klima einer Gesellschaft voller Ab- und Ausgrenzung, von Armut, die zum Verlassen der Heimat zwingt, vom Leben in einer anderen Armut in der Emigration, von der Solidarität, aber auch Kontrolle und Anpassungsdruck innerhalb der Community.

McGuire lässt seine Leser eintauchen in eine Vergangenheit, die nicht die gute alte Zeit ist und in der Hoffnung weitgehend unbekannt ist. Dieses Buch hat mich bis fast zum Schluss überzeugt - dort allerdings kam es dann zu einer für mich überraschenden und irgendwie nicht zufriedenstellenden Entwicklung, die mich ein bißchen ratlos zurückließ. Die Sprache McGuires, die düsteren Bilder seines Romans und die eindringliche Atmosphäre beeindrucken jedenfalls.