Vergeben und Vergessen?

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mrs rabes book account Avatar

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Manchester im Jahre 1867: es ist die Zeit des irischen Unabhängigkeitsbestrebungen. In der irischen Untergrundbewegung, die Bruderschaft der Fenians, kämpfen Iren gegen die englische Vorherrschaft an. Irische Auswanderer haben dies Bewegung von Nordirland nach England und bis nach Amerika etabliert. Protagonist James O’Connor, selbst Ire und im Polizeidienst von Manchester stehend, soll, die Mitglieder der Bruderschaft unter Kontrolle bringen. Allerdings steht er dabei auf verlorenem Posten, für die Iren ist er ein Spitzel, für die Engländer immer nur Ire.

Das Buch beginnt mit der Hinrichtung dreier Fenians, die beschuldigt wurden, einen englischen Polizisten ermordet zu haben. Um dieses Unrecht zu rächen, wird aus Amerika ein irischer Veteran zurückgeholt, der zum Gegenspieler des Polizisten wird.

Was hat mir Ian McGuire hier in seinem Roman „Der Abstinent“ erzählen wollen. Es ist ein historischer Roman. Die Atmosphäre einer englischen vorindustriellen Stadt im Jahr 1867 vermittelt der Autor gekonnt. Der politische Konflikt der Iren gegen die Engländer ist der Aufhänger. Die Hintergründe werden vorausgesetzt und nicht erläutert. Der Umgang ist rau, ungehobelt, brutal. Jeder der (männlichen) Protagonisten trägt irgendein Bündel an Verletzung, Verlust, Wut mit sich herum. Zorn und Schuld suchen sich ein Ventil. Vergeben und Vergessen ist nicht.

"Hegt und pflegt eure schmerzlichsten Erinnerungen und lasst sie gedeihen..."

Das Buch heißt "Der Abstinent". Der irische Polizist und Antiheld James O'Connor hat sich nach dem Tod seiner Frau fast in den Ruin gesoffen. Er schafft einen Neubeginn in England, wird dort gegen seine eigenen Landsleute eingesetzt. Ein Ereignis bringt ihn zurück zur Flasche, später hört er wieder auf zu trinken. Ich habe mich dennoch gefragt, warum gerade dieser Titel gewählt wurde. Wir verbinden mit dem Wort abstinent den Verzicht auf Alkohol. Doch abstinere (lat.) heißt schlicht sich fernhalten, verzichten. Letztlich verzichtet O'Connor auf mehr als den Alkohol, wie es sich gegen Schluss herausstellt. Gut wäre es allerdings gewesen, das Buch hätte hier geendet. Die letzten Seiten des Buches geben der Geschichte eine absolut abstruse Wendung.

Was ist nun für mich die Aussage dieses Buches. Du entkommst dem Fahrwasser nicht, so sehr du dich auch abstrampelst. Und wenn du es tust, bringt es dir auch keinen Vorteil. Fatalistisch aber für O'Connor traurige Gewissheit. Der übermäßig starke Drang nach Vergeltung mutet wie in einem „irischen Western“ an. Dazu passt, dass ein Teil der Handlung auch nach Amerika verlegt wurden. High Noon ohne Poncho und Mundharmonika. Aber doch sehr ähnlich.

Ich mag traurige gebrochene Gestalten in Büchern. Über die holprige Handlung mit einigen Fragezeichen und losen Fäden kann nicht alles hinweghelfen.