Keine kitschige Liebesgeschichte, sondern so viel mehr!
„ [Christian Berkel] ist kein schreibender Schauspieler. Er ist Schriftsteller durch und durch. Und was für einer.‟ (Daniel Kehlmann)
Diesem Satz kann man nur zustimmen, wenn man am den Titel des Buches aufgreifenden Ende dieses üppigen, poetischen und nachdenklichen Romanes angekommen ist.
Otto, der unter Gewalteinflüssen aufgewachsene Sohn einer Berliner Arbeiterfamilie, trifft als Jugendlicher auf Sala, die Tochter eines gebildeten, gut situierten Mannes und seiner jüdischen Frau, und beschließt schnell: „Ich werde Ihre Tochter heiraten‟.
Da uns der Sohn der beiden die Geschichte rückblickend erzählt oder – besser noch – versucht, Erinnerungsstücke seiner Mutter zu einem passenden Ganzen zusammenzusetzen, ist das Ende vorweggenommen: Sie werden sich irgendwann wiederfinden. Was zeichnet den Roman nun aus, warum sollte man ihn trotzdem lesen?
Zum einen gibt er ein Stück Zeitgeschichte wieder, das nicht in Vergessenheit geraten darf. „Irgendwann muss doch mal Schluss sein‟ empört sich eine Romanfigur, als sie auf das Verbrechen an den Juden angesprochen wird, „Wir Deutschen wurden auch vertrieben und laufen nicht in Pommern rum und machen Fotos‟ – und löst damit Betroffenheit beim Leser aus, der gerade so nah am Schicksal der geschilderten Figuren ist, der zusammen mit der Erzählerfigur dem Leben seiner Eltern nachspürt, und dem überhaupt nicht nach "Schluss" zumute ist.
Berkel schreibt nicht nur die Geschichte seiner Ahnen auf, sondern auch gegen das Vergessen an. Er wagt es, sich zu erinnern, und damit auch seine eigene Identität aufzuspüren, denn: „Erst mit der Erinnerung gewinnt unser Leben ein Gesicht.‟
Zum anderen vermag er dies in einer so eleganten, teils poetischen Sprache, dass es trotz aller Schicksalsschläge eine Freude ist, das Buch zu lesen - „Zwei Jahre vergingen. Die Welt geriet aus den Fugen, aber die Sonne scherte sich nicht darum.‟
Es ist zutiefst bewegend, wenn man als Leser vor Augen geführt bekommt, wie irrelevant alle Herkunftsunterschiede sind, wenn Sala nur minutenweise „weder halbe Deutsche, noch halbe Jüdin [...] kein geteiltes Etwas, einfach nur ein Mensch‟ sein kann, und wir erfahren müssen, dass der Krieg selbst den sich gegen seinen gewalttätigen Stiefvater und alle Kindheitstraumata zur Wehr setzenden Otto irgendwann bricht.
Und während es anfangs verwirrend ist, immer wieder zwischen den Erzählebenen – der Erzähler mit seiner gealterten, leicht verwirrten Mutter auf der einen, das Geschehen der Vergangenheit auf der anderen Ebene – zu wechseln, ist es ein wenig auch genau das, was den Roman auszeichnet: Er portraitiert das Erinnern sehr genau. Im einen Moment versinken wir in den Gedanken, befinden uns im Berliner Milieu und sind nah an den berlinernden Protagonisten oder im Frankreich der 40er Jahre, im nächsten reflektieren wir wieder, machen uns Gedanken darüber, wie nah wir mit diesen Erinnerungen an der Wahrheit sind. Letztlich ist der exakte Wahrheitsgehalt ein Stück weit irrelevant, denn mit dem Erzähler wird uns bewusst: „Wirklichkeit ist eine auf die vorgefundenen Tatsachen bezogene Interpretation, [...] ein Konstrukt.‟
Fazit:
Christian Berkel ist ein beeindruckender Roman über die Vergangenheit gelungen, ein nachdenkliches und poetisches Buch, das ich gerne gelesen habe und für das ich eine Empfehlung aussprechen kann. Es ist nicht nur eine bewegende Geschichte, die allen Befürchtungen, allzu verkitscht daherzukommen, trotzt, sondern auch ein wichtiges Stück Zeitgeschichte festhält und dazu ermutigt, seiner eigenen Identität nachzuspüren und nicht „Schluss‟ zu machen mit der Erinnerung an deutsche Vergangenheit.
Diesem Satz kann man nur zustimmen, wenn man am den Titel des Buches aufgreifenden Ende dieses üppigen, poetischen und nachdenklichen Romanes angekommen ist.
Otto, der unter Gewalteinflüssen aufgewachsene Sohn einer Berliner Arbeiterfamilie, trifft als Jugendlicher auf Sala, die Tochter eines gebildeten, gut situierten Mannes und seiner jüdischen Frau, und beschließt schnell: „Ich werde Ihre Tochter heiraten‟.
Da uns der Sohn der beiden die Geschichte rückblickend erzählt oder – besser noch – versucht, Erinnerungsstücke seiner Mutter zu einem passenden Ganzen zusammenzusetzen, ist das Ende vorweggenommen: Sie werden sich irgendwann wiederfinden. Was zeichnet den Roman nun aus, warum sollte man ihn trotzdem lesen?
Zum einen gibt er ein Stück Zeitgeschichte wieder, das nicht in Vergessenheit geraten darf. „Irgendwann muss doch mal Schluss sein‟ empört sich eine Romanfigur, als sie auf das Verbrechen an den Juden angesprochen wird, „Wir Deutschen wurden auch vertrieben und laufen nicht in Pommern rum und machen Fotos‟ – und löst damit Betroffenheit beim Leser aus, der gerade so nah am Schicksal der geschilderten Figuren ist, der zusammen mit der Erzählerfigur dem Leben seiner Eltern nachspürt, und dem überhaupt nicht nach "Schluss" zumute ist.
Berkel schreibt nicht nur die Geschichte seiner Ahnen auf, sondern auch gegen das Vergessen an. Er wagt es, sich zu erinnern, und damit auch seine eigene Identität aufzuspüren, denn: „Erst mit der Erinnerung gewinnt unser Leben ein Gesicht.‟
Zum anderen vermag er dies in einer so eleganten, teils poetischen Sprache, dass es trotz aller Schicksalsschläge eine Freude ist, das Buch zu lesen - „Zwei Jahre vergingen. Die Welt geriet aus den Fugen, aber die Sonne scherte sich nicht darum.‟
Es ist zutiefst bewegend, wenn man als Leser vor Augen geführt bekommt, wie irrelevant alle Herkunftsunterschiede sind, wenn Sala nur minutenweise „weder halbe Deutsche, noch halbe Jüdin [...] kein geteiltes Etwas, einfach nur ein Mensch‟ sein kann, und wir erfahren müssen, dass der Krieg selbst den sich gegen seinen gewalttätigen Stiefvater und alle Kindheitstraumata zur Wehr setzenden Otto irgendwann bricht.
Und während es anfangs verwirrend ist, immer wieder zwischen den Erzählebenen – der Erzähler mit seiner gealterten, leicht verwirrten Mutter auf der einen, das Geschehen der Vergangenheit auf der anderen Ebene – zu wechseln, ist es ein wenig auch genau das, was den Roman auszeichnet: Er portraitiert das Erinnern sehr genau. Im einen Moment versinken wir in den Gedanken, befinden uns im Berliner Milieu und sind nah an den berlinernden Protagonisten oder im Frankreich der 40er Jahre, im nächsten reflektieren wir wieder, machen uns Gedanken darüber, wie nah wir mit diesen Erinnerungen an der Wahrheit sind. Letztlich ist der exakte Wahrheitsgehalt ein Stück weit irrelevant, denn mit dem Erzähler wird uns bewusst: „Wirklichkeit ist eine auf die vorgefundenen Tatsachen bezogene Interpretation, [...] ein Konstrukt.‟
Fazit:
Christian Berkel ist ein beeindruckender Roman über die Vergangenheit gelungen, ein nachdenkliches und poetisches Buch, das ich gerne gelesen habe und für das ich eine Empfehlung aussprechen kann. Es ist nicht nur eine bewegende Geschichte, die allen Befürchtungen, allzu verkitscht daherzukommen, trotzt, sondern auch ein wichtiges Stück Zeitgeschichte festhält und dazu ermutigt, seiner eigenen Identität nachzuspüren und nicht „Schluss‟ zu machen mit der Erinnerung an deutsche Vergangenheit.