Später wurde der Reiz doch sehr viel größer!

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laberlili Avatar

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Der zunächst gelesene Buchanfang hatte mich noch ratlos zurückgelassen: Den Beginn dieses Romans fand ich eher trist und belanglos; erst als der junge Otto plötzlich einen unbändigen Willen zu zeigen begann, gelang es dem „Apfelbaum“ tatsächlich mein Interesse zu wecken, wozu sicherlich auch beitrug, dass es sich beim Autor um einen recht populären Schauspieler handelt, der in diesem Buch die Geschichte seiner Familie, die mit einigen durchaus auffälligen Vorfahren daherkommt, erzählt. Dieselbe Geschichte eines völlig Unbekannten hätte zweifelsohne sehr viel weniger Reiz auf mich ausgeübt.

„Der Apfelbaum“ entpuppte sich letztlich als die Chronik einer recht zerrissenen Familie, die heute wohl allenfalls als „extravagant“ und „weltoffen“ gelten würde, deren Angehörige während der Zeit des Nationalsozialismus aber entweder zwischen allen Stühlen saßen oder zu den Verfolgten zählten. Ich fand die Erzählung in diesem Fall sehr interessant, da sich hier auch eine ungeheure Vielfalt unter den Charakteren zeigte; da stehen heutzutage doch gewisse Familien ständig im Rampenlicht, die sehr, sehr, seeeeeeehr viel langweiliger sind… und mir war zuvor auch nicht bewusst gewesen, dass die Familie von Christian Berkel eigentlich so altbekannt ist.

Den Erzählstil fand ich zuweilen „eigenwillig“; vielfach ist man direkt in der Geschichte drin, vergisst dabei Christian Berkel als Erzähler und im nächsten Abschnitt redet Berkel plötzlich in der Ich-Form, unterhält sich als Erwachsener an deren Lebensende mit seiner Mutter, dass ich mitunter über den Gedanken „Ist noch Krieg, ist das Otto, grade ging es doch noch um Sala; wer spricht denn da jetzt?“ stolperte und ein paar Absätze doch wiederholt lesen musste, um Zeit und Personen in den richtigen Kontext setzen zu können.

Insgesamt fand ich das Buch aber doch sehr interessant; für mich war es nun kein absolutes Highlight; aber nach gewissen Startschwierigkeiten entwickelte ich doch eine gewisse Neugier, wie die Familie die (Nach)Kriegszeit überstünde. Wie gesagt: Startschwierigkeiten waren durchaus vorhanden; anfangs wirkten die Familienverhältnisse für mich öde, langweilig und deprimierend, aber zeitgeschichtlich gesehen überhaupt nicht herausstechend und ein echtes Interesse an der Geschichte der Familie kam für mich erst ab der zweiten Hälfte des Buches auf.

Berkel-Fans wird „Der Apfelbaum“ aber sicherlich sehr ansprechen, auf geschichtlich Interessierte wird er sicherlich auch einen gewissen Reiz ausüben; den Schreibstil fand ich nun ebenfalls recht sympathisch, aber mich hat das Buch nun nicht Zeile für Zeile komplett begeistert, obschon ich es dennoch nicht lediglich als „durchschnittlich“ abtun wollen würde.