Auge um Auge

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Es  sind erst 45 Stunden und 14 Minuten vergangen, seit Alexander Zorbach miterleben musste, wie sein kleiner Sohn vor seinen Augen entführt wird. Von niemand Geringerem als dem „Augensammler“, auf den Zorbach im gleichnamigen Vorgängerroman gemeinsam mit der blinden Physiotherapeutin Alina Gregoriev Jagd gemacht hatte. Der Augensammler tötete stets die Mütter, entführte dann die Kinder und gab dem Vater genau 45 Stunden Zeit, sein Kind wiederzufinden – ansonsten würde es qualvoll ersticken. Genau nach 45 Stunden und 14 Minuten erreicht nun Zorbach das Versteck seines Sohnes, nur um dann feststellen zu müssen, dass der „Augensammler“ weiterhin mit ihm spielen will.

Fitzeks neuer Roman beginnt zunächst mit einer Warnung. Für Leser, die „Der Augensammler“ noch nicht kennen, dies aber noch nachholen wollen, ist sie durchaus von Bedeutung, denn der anschließende Zeitungsartikel zeichnet kurz die Handlung des Romans nach. Für das Verständnis des „Augenjägers“ ist der Vorgänger aber – so Fitzek – nicht relevant.

Der Roman wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Zu Beginn führt Fitzek einen neuen Charakter ein: Johanna Strom, Patientin einer Psychiatrie, die nach der Scheidung von ihrem sadistischen Ehemann und dem Verschwinden ihrer einzigen Tochter mehrere Suizidversuche hinter sich gebracht hat. Jeden Tag sitzt sie auf einer Bank im Park der Anstalt neben demselben älteren Mann. Als sie ihn einiges Tages schließlich nach dem Grund seines Aufenthalts fragt, reicht er ihr ein Bild ihrer verstümmelten Tochter, mit der „noch nicht fertig sei“ und lässt die völlig verstörte Frau zurück.

Der Roman wechselt nun zu Zorbach, der im Versteck seines entführten Sohnes nur noch eine Kiste mit einer Pistole wiederfindet. Per Handy gibt der Augensammler ihm die Anweisung, sich damit ins linke Auge zu schießen, um das Leben seines Sohnes zu retten. Zorbach drückt tatsächlich ab, was aus ihm wird, ist für den Leser in dieser kurzen Leseprobe noch unklar. Zeitgleich befindet sich Alina Gregoriev in der Zelle des Augenchirurgs Suker, der unter Verdacht steht, zahlreiche Frauen vergewaltigt und verstümmelt zu haben, indem er ihnen die Augenlider amputierte. Unter falschen Namen soll Alina nun den Rücken des Mannes versorgen und wie bereits im „Augensammler“ versuchen, durch die Berührungen in die Vergangenheit zu sehen. Doch Alina wird von Zarin Suker enttarnt.

Es sind zahlreiche lose Fäden, die Fitzek gleich zu Beginn seines neuen Romanes so virtuos spinnt, dass man von der ersten Seite gebannt ist, obwohl man glaubt, den Täter dieses Romanes schon zu kennen. Das Augenmotiv zieht sich – wie auch im Vorgänger – durch den ganzen Roman. So entziehen sich Johanna Stroms Peiniger ihren Augen durch Masken, Alexander Zorbach wird gezwungen, sich in sein linkes Auge zu schießen und auch Alina Gregoriev wird erneut auf ihre Augen angesprochen. Auch der Verdächtige Suker weist eine deutliche Verbindung zu diesem Thema auf, ob er tatsächlich der Schuldige ist und wie er möglicherweise mit dem Augensammler in Kontakt steht, wird sich noch zeigen. Denn nach der Lektüre zahlreicher Romane des Autors ist eines erwiesen: Bei Fitzek sind die Dinge nie so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Das macht die Lektüre aber erst recht zu einem Vergnügen!