Verwirrspiel mit 3 Ebenen

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Leicht macht es Mathias Gatza dem Leser in seinem neuen Roman „Der Augentäuscher“ nicht. Mithilfe von drei Ebenen webt er einen Roman, der uns in die schillernde Epoche des Barock entführt. 1673, Deutschland liegt noch von den Nachwehen des Dreißigjährigen Kriegs darnieder (was freilich die prunksüchtige Herrscher nicht zu stören scheint), sorgt der Alchemist und Lebemann Silvius Schwarz am Dresdner Hof für Aufsehen. Als Maler versucht er, der wirklichkeitsgetreuen Abbildung der Welt auf die Spur zu kommen und experimentiert hierzu mit verschiedenen Techniken. Von diesen Geschehnissen berichten sechs über das Buch verteilte Bögen, der ein stummer Setzer namens Leopold damals in einer Nacht druckte, um der Nachwelt von den Geschehnissen am Dresdner Hof zu berichten. Während Silvius vor allem die Damenwelt in Verzückung versetzt, kommt es in der unmittelbaren Nähe des Dresdner Hofs zu grauenhaften Morden, die scheinbar mit den Versuchen Silvius' in Verbindung stehen.

Angereichert wird diese Grundgeschichte durch die zweite Ebene des Romans, die aus einem Briefroman zwischen Silvius und seiner geliebten Sophie besteht. Hier zeigt sich der private Charakters Silvius', allerdings sind diese Korrespondenzen auch sehr anstrengend zu lesen und sind nicht gerade dazu angetan, den Leser zu fesseln oder gut zu unterhalten, da sich in den Briefen die beiden Partner meistens in gegenseitigen Neckungen oder Beschimpfung ergehen.

Den unterhaltsamsten Teil liefert Mathias Gatza mit der dritten Ebene ab, die von einer anonymen verkrachten Akademikerexistenz namens N.N. berichtet. In diesem Erzählstrang kommt der Ich-Erzähler zum Einsatz, der von seinen erfolglosen akademischen Versuchen einer Dissertation erzählt und dann zu seinem eigentlich Lebensthema kommt, dem er sich verschrieben hat: Die Wiederauffindung der Bögen Leopolds, die von Silvus berichten, und damit die Erforschung des Lebens des barocken Dresdner Lebemanns. Ironisch entführt er den Leser in seine Suche nach den Bögen und tritt nach den einzelnen Bögen und Passagen aus den Briefroman kommentierend in Erscheinung.

 

Dies ist auch bitter nötig, da, abgesehen von großartigen Sprach- und Fabuliertalents Mathias Gatzas, die einzelnen Elemente aus dem Dresdner Barockleben wirklich schwer zu lesen sind. Die Suche nach dem merkwürdigen Mörder am Dresdner Hof und die Frage, ob Silvius Schwarz bereits um 1675 einen Vorläufer der Fotokamera geschaffen haben kann, treten während der Geschichte oftmals in den Hintergrund und der Leser muss sich die einzelnen Erzählelemente zusammenklauben. Das ist zwar zu loben, da es den Leser fordert und nicht alles vorgekaut wird, allerdings übertreibt es Mathias Gatza auch an manchen Stellen. Es sorgte zumindest bei mir oftmals für Ermüdung, wenn sich Sophie von Schlosser und Silvius Schwarz lieber in Briefen beschimpften, anstatt das die (für mich) relevanten Themen Erwähnung fanden. So ist dies für mich ein großer Kritikpunkt gewesen, an den ich auch noch den Anspruch des Buches anfügen möchte. Ich bin, was bibliothekarisches Geschichte eingedenk meines Berufes relativ sattelfest, aber ich vermute, dass nicht jedem Leser unbedingt das Setzen von Prospekten oder die Gattung der Acta geläufig sind. Hier wäre vielleicht ein kleines Glossar nett gewesen, das die vielen bibliophilen Gepflogenheiten des Barocks erklären würde. Ansonsten kann die Vielzahl von Fachausdrücken oftmals zu Verwirrung führen!

 

Fazit: Dieses Buch sei allen Lesern ans Herz gelegt, die sich für die Epoche des Barocks oder Buchgeschichte interessieren, doch wer eine Geschichte á la „Das Jesus-Video“ von Andreas Eschbach sucht, dem kann ich wirklich nur raten, die Finger von diesem Buch zu lassen!

Bücher sind wie Schiffe, die das Meer der Zeit durchsegeln (Francis Bacon)