Demenz und Depressionen treffen auf Lebensfreude und Optimismus

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magdas_buecherwelt Avatar

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Was für ein tolles Debüt! Obwohl nicht viel passiert, konnte mich der Roman von der ersten bis zur letzten Seite packen.
Linda ist erst 15 und bereits lebensmüde. Sie findet, dass das Leben mit ihrer Mutter nicht viel Schönes bietet. Zu ihrer Mutter hat sie kein gutes Verhältnis, und es wird nicht besser, als diese ihren neuen Freund mit nach Hause bringt. Aufgrund seines Berufes nennt Linda ihn „Der Bestatter“. Ein Lichtblick ist die Aussicht auf einen Urlaub auf Gran Canaria, zu dem der Bestatter auch Linda einladen will. Linda und ihre Mutter waren noch nie am Meer.
Die Tochter ihres demenzkranken Nachbarn Hubert bittet Linda, ihn mittwochs zu besuchen und mit ihm ein paar Stunden zu verbringen. Sie mag den älteren Herren und bemüht sich, ihm Freude zu bereiten, geht im Gespräch auf ihn und seine Erinnerungen ein, spielt ihm Tonbandaufnahmen vom Schwimmbad vor und setzt sogar durch, dass er einen Ausflug an den See macht. Sie findet es furchtbar traurig, dass Hubert, der sein Leben lang als Bademeister an der frischen Luft verbracht hatte, nur noch zu Arztterminen aus dem Haus geht.
Lindas einziger Freund Kevin ist ebenfalls kein fröhlicher junger Mensch. Er glaubt fest daran, dass die Welt auf eine Katastrophe zurast und verbringt seine Tage vor dem Computer. Linda und er sind beide ohne einen Vater aufgewachsen, die beiden sind sich einig: „In der Kindheit passiert viel Dummes. Man sollte erwachsen geboren werden.“ (S. 63).
Huberts polnische Pflegerin Ewa ist für mich der Star der Geschichte. Obwohl sie seit vielen Jahren kranke Menschen bis zu ihrem Tod pflegt und begleitet, hat sie ein sonniges Gemüt. Sie findet Halt im Glauben, und ihr zweitgrößter Wunsch ist eine Wallfahrt nach Tschenstochau zur Schwarzen Madonna. Der größte Wunsch ist es, ihre zweite Hälfte zu finden.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr authentisch, ich konnte mich gut in die 15jährige Linda und ihre Gedankenwelt hineinversetzen. Das Ende ist traurig und schön zugleich, ein guter Abschluss dieses wunderbaren Coming of Age-Debütromans. Trotz der schwierigen Themen Demenz und Depressionen hat mich das Buch nicht bedrückt, sondern optimistisch und positiv gestimmt. Von mir eine große Leseempfehlung.