Lass los, Hubert ...

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kainundabel Avatar

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… Vor dir liegt eine lange Reise. Ob Hubert Lindas Worte noch hören kann? Jahrzehntelang war er Bademeister im Stadtbad von Bregenz, heute ist er 86, seine Augen sind geschlossen, er schaut ins Leere. Linda ist 15 und trägt sich mit der Absicht, vor ein Auto zu laufen. Aber ihr einziger Freund Kevin hält sie davon ab - und eben Hubert, um den sie sich rührend bemüht. Dreimal in der Woche entlastet sie damit die polnische Pflegekraft Ewa, die tief im Glauben verwurzelt ist und ihrer Tätigkeit recht robust und unorthodox nachgeht. Hubert ist hochgradig dement, sucht ständig nach seinen Zähnen, toastet Karotten und hat längst vergessen, dass seine Frau vor sieben Jahren verstorben ist. Linda versteht sich bestens mit Hubert, schließlich planen beide – freiwillig und unfreiwillig – ihren Abschied vom Leben. Ist das nicht eher ein Roman mit depremierender Thematik, voll Traurigkeit, Endzeitstimmung, nichts für einen heiteren, beschwingten Sommer? Mitnichten! Petra Pellini, die selbst lange in der Pflege demenzkranker Menschen tätig war und deshalb viele persönliche Erlebnisse einbringt, erzählt derart feinfühlig, empathisch und trotz der Ernsthaftigkeit mit einer so großen Leichtigkeit, dass es unmöglich ist, von diesem Roman nicht gefangen zu sein. Man ertappt sich beim Schmunzeln in tragischen wie in witzigen Situationen, spürt selbst eine Fröhlichkeit, die man in diesem Zusammenhang gar nicht vermuten möchte. Über 320 Seiten hinweg trägt einen die Geschichte wie eine Wolke durch manche Unbill des Lebens, und man möchte jeden Augenblick festhalten. Wieviel menschliche Wärme vermittelt die junge Linda, wie viele wunderbare Ideen hat sie auf Lager, wie findet sie bloß die stets einfühlsamen, nie verletzenden Worte? Ein wunderbares Buch, ein literarisches Juwel!