Lodert die Flamme noch?

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maimouna19 Avatar

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Rahel und Peter sind seit fast 30 Jahren verheiratet, sie ist Psychotherapeutin mit eigener Praxis, er ist Germanistik-Professor an der TU Dresden. Ihre zwei erwachsenen Kinder sind längst aus dem Haus. Also alles eigentlich gut, oder? Nein, leider nicht. Wie in so vielen langjährigen Beziehungen scheint sich die Liebe aus ihrer Ehe verabschiedet zu haben. Ein Urlaub in einer einsam gelegenen Berghütte in den Ammergauer Alpen soll klären, ob das Feuer zwischen ihnen noch brennt oder die Flamme erloschen ist. Da die Urlaubsunterkunft kurz vor ihrer Abreise abbrennt, müssen sie umdisponieren. Statt in die Alpen geht es nun auf einen Hof in der Uckermark. Auf Bitte von Ruth, einer Freundin von Rahels Mutter, hüten sie für drei Wochen deren Haus, kümmern sich um Garten und Haustiere.
Seit „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ und „Die Liebe im Ernstfall“ schätze ich Daniela Krien sehr. Auch mit „Der Brand“ hat sie mich nicht enttäuscht. Sie kann wunderbar schreiben, ihre Sprache ist klar und schnörkellos. Rahel und Peter sowie auch alle Nebenfiguren sind glaubhaft beschrieben und wirken sehr authentisch. Durch drei Urlaubswochen - jedem Tag ist ein Kapitel gewidmet - kann der Leser nun dem Urlaubsalltag und der Ehekrise (aus Rahels Sicht) folgen. Rahel leidet darunter, dass ihr Mann keinen Sex mehr mit ihr will, Peter dagegen fühlt sich von Rahel unverstanden bzw. sogar verraten. Er ist Opfer eines Shitstorms, weil er eine*n nicht binäre*n Student*in falsch angesprochen hat, und ist der Meinung, dass Rahel ihm in den Rücken gefallen ist.
Und so geht auch im Urlaub jeder seinen Beschäftigungen nach, Peter kümmert sich um die Tiere (eine einohrige Katze, einen flugunfähigen Storch, eine alte Fuchsstute), Rahel um den Garten. Zum Schwimmen im nahegelegenen See geht jeder allein, das gilt auch für Spaziergänge. Geschlafen wird natürlich in getrennten Zimmern.
Zur privaten Krise kommen die aktuellen Krisen der Zeit. Daniela Krien versteht es gekonnt, aktuelle gesellschaftliche Debatten (das „Virus“ – der Roman spielt im Sommer 2020, Gender- und Identitätsthematik, Klimawandel) gekonnt mit dem Kernthema zwischenmenschlicher Beziehungen zu verknüpfen.
Fazit: „Der Brand“ ist eine präzise Beschreibung einer ganz normalen Ehe, ein flüssig lesbarer Roman, fast schon zu flüssig. Ich hätte noch ewig weiterlesen können, habe die 270 Seiten allerdings in kürzester Zeit verschlungen. Ein absolut lesenswerter Roman mit schönem, weil offenen Ende.