Vertreibung aus dem Paradies

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rockchickdeluxe Avatar

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Der Duft des Wals beginnt in einem Flugzeug auf den Weg in den Pauschalurlaub, und auch ich bin gerade Langstrecke geflogen. Ich bin also sofort mittendrin in der beengten Servicehölle hoch über den Welten.

Céleste, die Stewardess, nimmt uns mit in eine Woche Urlaub im Luxusresort, eine Woche, die ihr nach langen Schichten immer wieder als Auszeit winkt.

„Zu sagen, ich würde meine Berufswahl nicht bereuen, wäre gelogen. Mir tut es noch immer leid, den Ruf nach einem religiösen Leben in meiner Jugend ignoriert zu haben – diese leise Stimme in mir, die ich leichtfertig überhört habe. Ich wäre sicher eine gute Nonne geworden. Meine Mutter meinte es gut, als sie sagte, ich würde auch so den Menschen auf gewisse Art und Weise helfen, in den Himmel zu kommen.“

Im himmlischen 5-Sterne-Hotel begegnen uns ihre Fluggäste, Judith, Hugo und ihre Tochter Ava. Judith und Hugo wollen mit dem Tapetenwechsel ihre zerrüttete Ehe retten, Ada malt ununterbrochen, Céleste flieht vor etwas anderem, das sie heimsucht. Und dann sind da noch die drei Hotel-Mitarbeiter*innen, die hinter den Kulissen des schönen Scheins arbeiten und ihr Bestes tun, um eben jenen aufrecht zu erhalten, denn gleich zu Beginn strandet ein Wal am Strandabschnitt des Resorts und explodiert. Seine Gedärme und Einzelteile verteilen sich als schleimige Schicht über die Anlage, der Gestank ist entsetzlich und nimmt stetig zu, auch als der Kadaver schon lange verschwunden ist.

Die Symbolik des Walkadavers ist unübersehbar. Über dem Paradies hängt ein Gestank, der den schönen Schein ad absurdum führt und so lange zunimmt, bis die Trauer, die Abgründe, die Ausweglosigkeit und der Schmerz hinter der Kulisse nicht mehr zu übersehen sind. Auch, wenn das Luxushotel immer schwerere Geschütze auffährt, um das Unangenehme zu übertünchen.

„Ich würde euch gerne malen. In diesem Augenblick. Aber leider ist meine Zaubertafel kaputt.“ Hugo setzt sich auf seine Fersen. Es schaut unserer Tochter in die Augen und flüstert ihr unendlich liebevoll zu: „Es ist traurig, was, mein Spatz, wenn die Dinge ihren Zauber verlieren.“

Mit ironischer Erzählstimme und feinem Witz führt Paul Ruban die Hauptfiguren durch die Geschichte, entblößt ihre Schwächen und lässt sie im Wissen um ihre Unzulänglichkeiten um ihr Glück kämpfen. Die einen flüchten in ihre Parallelwelt, die anderen changieren zwischen Fatalismus und Hoffnung, Einsamkeit und Gemeinsamkeit, geraten in tragisch-komische Situationen und mäandern durch die Personenkonstellationen.

Dieser Roman sprüht vor Humor und nimmt uns mit in einen Urlaub, den niemand freiwillig antreten würde. Bis das überraschende Ende die Parabel zu einem würdigen Abschluss führt und mich mit einem Schmunzeln und einem leichten Unbehagen zurücklässt.

Vielen Dank für diese hervorragende Unterhaltung und vielen Dank an @vorablesen.de und @aufbauverlage für das Rezensionsexemplar. Es hat viel Freude gemacht.