Ich muss unsichtbar bleiben

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buecherfan.wit Avatar

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Zu Beginn der Leseprobe beschreibt ein noch namenloses Mädchen als Ich-Erzählerin ihr Leben in Gefangenschaft. Sie wurde in aller Eile in die Wohnung einer Extante in einer Stadt in Norditalien gebracht, nachdem der Sohn des Clanchefs in ihrem Dorf in der Nähe von Neapel versucht hat, sie zu vergewaltigen - so der Klappentext. Die ungeliebte Extante, der die Dreizehnjährige von der Familie aufgedrängt wurde, hat ihr sofort einen Jungenhaarschnitt machen lassen und ihr verboten, sich am Fenster zu zeigen: "Du musst unsichtbar bleiben" und "Lieber im Gefängnis als tot" schärft ihr die Tante ein.

Im Wechsel mit den Erzählungen aus der Sicht des Mädchens wird die Familiengeschichte nachgeholt. Da gibt es die Großeltern Assunta und Saverio. Sie haben zwei Söhne, den 18jährigen Antonio und den 14jährigen Salvatore, als die Nachzüglerin Carmelina, genannt Melina geboren wird. Die Dreizehnjährige scheint Melinas Tochter zu sein. Die Extante wird die Exfrau des ältesteten Sohnes Antonio sein. 

Es gibt auf den ersten Seiten mehrere Hinweise, dass im Dorf der Boss das Sagen hat, dass Schutzgelder gezahlt werden. Assunta und Saverio schätzen sich glücklich, dass sie nicht behelligt werden: "Das größte Glück ist, dass sie uns nicht auspressen oder zu etwas zwingen können."  (S. 14). Saverios letzten Worte in diesem Abschnitt beziehen sich auf die kleine Melina und wirken wie eine ironische Vorausdeutung: "Sie ist noch klein, warten wir´s ab." (S. 14)  Auch seine Familie wird irgendwann Opfer der Camorra werden.

Die Leseprobe liest sich gut und macht den Leser neugierig auf eine süditalienische Familiengeschichte. Besonders gut trifft die Autorin den Ton, wenn sie das junge Mädchen aus der Ich-Perspektive erzählen lässt. Die Erzählerin versteht noch nicht richtig, wie ihr geschieht und kann sich noch nicht vorstellen, wie ihr weiteres Leben verlaufen wird, aber sie ist unglücklich und vermisst ihre Familie.  Ein interessanter und spannender Romananfang.