Charakterstudie einer Journalistin

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
kuddel Avatar

Von

In diesem Roman steht Hella Renata Karl im Mittelpunkt. Sie ist eine einflussreiche Feuilletonchefin einer großen Berliner Zeitung und hat sich einen gewissen Ruf und eine besondere Stellung in der Kulturszene der Hauptstadt hart erarbeitet.
Vor einiger Zeit hat sie einen Artikel über den erfolgreichen Theaterintendanten Hochwerth verfasst, der daraufhin seinen Posten räumen musste. Der Mann war zwar umstritten, aber dennoch gefeiert. Mit der berechtigten Aufdeckung seines Machtmissbrauchs hat sie ihn entthront. Nun erfährt sie von seinem Suizid, den er in Sydney begangen hat, wohin er seine Frau, eine gefeierte Opernsängerin, begleitet hat. In einem unglücklich inszenierten Interview räumt sie ein, dass die Medien bzw. die Berichterstattung evtl. eine Mitschuld am Tod Hochwerths tragen. Daraufhin bricht ein Shitstorm los, der Hella einiges abverlangt und ihr Leben entscheidend beeinflusst.

Wir erfahren die Dinge aus ihrer Sicht, nehmen Anteil an ihren Gedanken. Sie sinniert über die berufliche Lage, auch privat läuft es nicht so gut, wie sie es sich wünscht. In Rückblenden erfährt man Hintergründe über Hellas Werdegang, die Kollegen und auch über Hochwerth. Hella ist eine Macherin, eine Kämpferin, die nicht bereit ist klein bei zu geben.

Sprachlich ist der Roman sehr gut gelungen, das Lesen macht Spaß, obwohl das wichtige Thema (Verantwortung der Presseberichterstattung) durch die Gedankenspiralen Hellas teils in den Hintergrund tritt.
Der Fall an sich birgt leider einige Ungereimtheiten.
Das sich die Kollegen so auf Hella stürzen, konnte ich nicht ganz verstehen. Ihre Zeitung wird nicht die einzige gewesen sein, die über den Skandal berichtet hat, insofern wirken die Schuldzuweisungen verlogen. Sie hat einen unerhörten Machtmissbrauch aufgedeckt, die Heiligsprechung des Toten und damit einhergehende Verurteilung einer einzelnen Journalistin erscheint mir unglaubwürdig. Tatsächlich empfand ich einige Umstände als fragwürdig, in diese Richtung hat jedoch kein Journalist Fragen gestellt (sehr untypisch), auch bei Hella fällt der sprichwörtliche Groschen erst spät. Ihre Nachforschungen ergeben ungeheuerliches. Hier gibt es zum Ende nochmals eine tolle Wendung.
Von mir gibt es 3,5 Sterne, die ich aufrunde wo es nötig ist.