Innenschau eines Zusammenbruchs

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bella0070 Avatar

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Hella Karl ist Journalistin und verantwortlich für die Kulturseite einer Tageszeitung. Sie verfasst einen Enthüllungsbericht über einen berühmten Intendanten, der sich kurz darauf das Leben nimmt; so das Setting der ersten Seiten.
Buchcover und Titel sind schlicht gehalten und verraten nichts über den Inhalt. Der Schreibstil am Anfang des Buches ist klar und präzise, passend zum Buchcover und zum Character der Protagonistin Hella. Alles scheint aus einem Guss zu sein, alles passt. Es ist ein Schreibstil, den ich auch gerne laut vorlese.
Hella Karl ist eine Karrierefrau, die kontrolliert, distanziert und unterkühlt auf den Leser wirkt. Sie zeigt sich selbstbewusst bis überheblich. Eine Einzelgängerin, die niemanden an sicher heran lässt, andere auch gerne vor den Kopf stößt. "Solitär aus Leidenschaft" , so sieht sie sich selbst.
Der Selbstmord scheint sie anfangs wenig zu tangieren, sie macht sich sogar darüber lächerlich, nennt es eine letzte Inszenierung.
Es beginnt eine Hetzkampagne gegen sie im Netz und persönlich. Ihre eigene Zeitung wendet sich gegen sie, ihr Privatleben leidet darunter. Nach und nach bekommt die kühle, kontrollierte Fassade Risse.
Der Schreibstil passt sich der inneren Verfassung der Protagonistin an. Die Sätze werden länger und verschachtelter.
Im Laufe des Buches geht Hella durch ein Wechselbad der Gefühle und mit ihr der Leser, der durch die innere Monolog an ihrer Rechtfertigung, Abwehr, Wut, Trauer, Bedauern und Verzweiflung teilnimmt. In einer Innenschau lernt sie sich selbst besser kenne und muss sich manch unangenehmer Wahrheit stellen.
Doch trotz der inneren Monologe bleibt der Leser distanziert, den sympathisch wirkt Hella bis zum Schluss nicht, auch wenn ihr Handeln verständlicher wird.
Es ist ein Buch, das zum Nachdenken über menschliche Abgründe anregt mit einem hervorragenden Schreibstil.
Unbedingte Leseempfehlung!