Doch nur für Insider?!

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stephanus217 Avatar

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Ich habe mich schwer getan, was aber im wesentlichen wohl daran gelegen hat, dass ich falsche Erwartungen an das Buch hatte. Nach dem Klappentext hatte ich eher John LeCarré o.ä. vor Augen.
Ein Spionagethriller ist das Buch aber beileibe nicht, eher ein kleines leises Buch von einem tragischen persönliche Scheitern.

Josef und sein jüngerer Bruder Carl aus Neuss träumen in den frühen 20ern davon, dem gewalttätigen Elternhaus und der wirtschaftlichen Depression in Deutschland zu entfliehen und "im gelobten Land" Amerika neu anzufangen. Carls Traum scheitert aufgrund eines Unfalls, er bleibt in Deutschland, gründet eine Familie. Josef wandert tatsächlich aus und lebt in New York ein einfaches, graues Leben, bis 1939, am Vorabend des 2.Weltkrieges, deutsche Auswanderer in Amerika, auch in New York, stigmatisiert werden. Josef, inzwischen Joe, bekommt Kontakt zu anderen Deutschen; aus Naivität bemerkt er nicht, dass er es plötzlich mit den nationalsozialistischen Aktivisten in Amerika zu tun hat - vielleicht will er es aber auch nicht wissen. Seine neuen Freunde nutzen seine technischen Kenntnisse als Amateurfunker für ihre Spionagetätigkeit aus, es kommt, wie es kommen muss, Joe fliegt auf, wird als Spion verurteilt, interniert und nach dem Krieg nach Deutschland abgeschoben.
Zurück in Deutschland lebt er in der Familie seines Buders, kann aber in der kleinbürgerlichen Welt des Bruders nicht wieder Fuß fassen - zum einen wegen seiner Sehnsucht nach Amerika, wobei ihm die Rückkehr dorthin verwehrt ist, zum anderen wegen der unterschwelligen Geschwisterkonflikte, die immer wieder aufbrechen.
Schließlich helfen ihm die alten New Yorker Nazigrössen, die allesamt wieder auf die Füsse gefallen sind und wieder in Deutschland leben oder aber beste Verbindungen in die alte Heimat haben, nach Argentinien zu "fliehen"; letztlich landet er, inzwischen José, in Costa Rica...

Ich entstamme einer Generation, die die Zeit zwischen den Kriegen und insbesondere die Nachkriegszeit noch nicht einmal mehr aus Erzählungen kennt, sondern nur noch aus Geschichtsbüchern.
Zu Auswanderung, american dream etc. habe ich ebenfalls keinen Bezug und ich denke, ohne diesen persönlichen Bezug zum Buchinhalt, kann dieses Buch nicht fesseln.
So bleibt es bei einer, eher nichtssagenden Lebensgeschichte eines grauen, naiven und opportunistischen Menschen, der in seinem Leben scheitert. Mitleid vermag aber auch nicht so recht aufzukommen.

Aber das Buch ist gut und flüssig geschrieben, allerdings war für mich der Hauptantrieb, zu Ende zu lesen, die Hoffnung, dass die Story womöglich doch noch eine interessante, unerwartete Wendung nehmen könnte. Diese Hoffnung hat aber leider getrogen.