Der lange Weg in eine neue Heimat

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theresia626 Avatar

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Said Al-Wahid lebt schon lange in Deutschland, ist mit der Deutschen Monica verheiratet und hat mit ihr den Sohn Ilias. Eines Tages erfährt er durch einen Anruf seines Bruders Hakim, dass seine Mutter nicht mehr lange zu leben hat. Da er sie noch einmal sehen will, macht er sich auf den Weg nach Bagdad. Unterwegs erinnert er sich an seine Kindheit im Irak, seine Flucht und die erste schwierige Zeit in Deutschland. Er hat immer seine Geschichte aufschreiben wollen, scheitert aber an den großen Erinnerungslücken. Er vergisst nämlich nicht nur einzelne Namen und Daten, er kann auch nicht unterscheiden, ob sich das, woran er sich erinnert, wirklich ereignet hat oder nicht. Dieser Verlust von Erinnerungen dient auch dem Selbstschutz. Sonst könnten die alten Wunden niemals heilen. Wenn er dieses Buch eines Tages schreibt, muss er sehr kreativ werden und beträchtliche Teile selbst erfinden.

Nach seiner Flucht aus dem Irak braucht er Jahre, bis er in Deutschland ankommt, und dann wird es auch nicht leichter. Nicht nur, dass er wegen seines fremden Aussehens auffällig oft von der Polizei kontrolliert wird, über sein Leben bestimmen Gesetze: „die befristete und die unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die Abschiebungsandrohungen, das Widerrufsverfahren, die Duldung, die Einbürgerung.“ (S. 19) Nicht einmal eine Geburtsurkunde für seinen Sohn wird ihm ohne weiteres ausgestellt. Da sind erst einmal Saids „derzeitige staatsangehörigkeitsrechtliche Verhältnisse zu beurteilen.“ (S. 22)

Nach der Lektüre von Khiders in Anlehnung an die eigene Geschichte geschriebenem Roman müsste eigentlich auch der Letzte wissen, dass Flüchtlinge nicht ohne Not ihre Heimat verlassen, um sich in Deutschland ein schönes Leben zu machen. “Der Erinnerungsfälscher“ beeindruckt und erzeugt hoffentlich viel Empathie. Sehr empfehlenswert.