viel verschenktes potential

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blätterwald Avatar

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Zwei Dinge hatten mich gereizt, dieses Buch zu lesen. Zum einen die Zeit von vor hundert Jahren, gesellschaftlich und künstlerisch eine sehr spannende Zeit. Und zum anderen die Person Anita Berber.
Der Anfang las sich noch ganz gut, man wurde als Leser gut in den Roman eingeführt, die Sprache war weder zu gekünstelt noch zu einfach. Doch schon nach gut 30 Seiten wurde deutlich, dass, so sehr der Roman punktet, was das Atmosphärische betrifft, strauchelt er bei seinen Figuren. Dem Autor gelingt es gut, die Zeit einzufangen, die Umstände, das Leben in den 20er Jahren. Doch mit seinen Figuren hadert er irgendwie. Ich habe keinen Zugang gefunden, gerade nicht zur Protagonistin Berber. Es wirkt alles sehr distanziert und die Figuren entwickeln sich weder noch handeln sie. Sie sind da und dann im nächsten Kapitel auch schon wieder weg. Die Tänzerin bleibt, aber sie ist blass und man erfährt nicht viel von ihr. Am intensivsten sind noch die ersten und das letzte Kapitel. Ihre ganzen Männer, ihre Süchte, das Tanzen, das wirkt im Text, als geschieht ihr das alles. Anita Berber ist eine Protagonistin, die mir weder sympathisch noch unsympathisch ist. Sie ist da und tanzt sich durch ihr Leben. Einzig die Großmutter Lu wirkt noch menschlich nahbar.
Dabei ist es nicht einmal die Sprache, die diese Distanz bewirkt. Die Sprache an sich gefällt mir, aber sie baut keine Nähe auf. Lediglich wenn es um die Beschreibung der Kunst geht, ob Musik, Tanz oder Malen, dann glitzert sowas wie Begeisterung durch die Zeilen.
Schade, denn hier ist sehr viel Potential verschenkt worden. Eine stringentere Zeitschiene hätte schon mal dem Roman gutgetan. Und lieber ein paar Seiten mehr und dafür gute Einführungen der Figuren. Auf einmal gibt es einen neuen Ehemann, gut, der alte ist dann wohl weg. Aber Entwicklungen gibt es nicht, nur reine Tatsachen, die der Leser so hinzunehmen hat. Vielleicht so profane Dinge wie, wo hat Anita Henri kennengelernt. Wie kam es zur Entfremdung mit ihrem ersten Ehemann, was ist überhaupt zwischen ihren Engagements passiert, außer den Süchten, die sehr ausführlich Platz bekommen haben.
Ich gebe noch gut gemeinte zwei Sterne. Aber keine wirkliche Empfehlung.