Drei Schicksale bewegend erzählt

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zabou1964 Avatar

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Seit „Léon und Louise“ steht der Autor Alex Capus bei mir ganz hoch im Kurs. Ich liebe seinen scheinbar nüchternen Erzählstil, der die bewegenden Geschichten seiner Protagonisten dem Leser nahe bringt. Auch mit seinem neuesten Werk konnte er mich wieder bestens unterhalten und ließ mich ein besonderes Verhältnis zu seinen Charakteren aufbauen.

Capus erzählt die Geschichte dreier Schweizer, die sich vermutlich nie im Leben begegnet sind. In seiner Fantasie könnte dies aber im November 1924 geschehen sein. Am Züricher Hauptbahnhof könnten sich ihre Wege gekreuzt haben. Laura d’Oriano war damals ein 13-jähriges Mädchen, das mit ihren Eltern auf dem Weg nach Marseille ist. Sie träumt von einer Karriere als Sängerin. Der Züricher Felix Bloch hat gerade die Schule abgeschlossen und muss sich entscheiden, was er studieren will. Auf jeden Fall will er mit seinem Wissen nicht der Kriegsmaschinerie dienen. Und dann gibt es da noch Emile Gilliéron, der mit der Asche seines Vaters im Zug sitzt und diese in dessen Heimat verstreuen will. Er ist, genau wie der Verstorbene, ein Maler, der seine Berufung darin gefunden hat, im Dienst berühmter Archäologen zu stehen und Details, die die langen Jahre im Boden zerstört haben, mit etwas Fantasie wieder zu vervollständigen.

Die Protagonisten habe alle drei tatsächlich gelebt. Alex Capus hat deren Leben sehr exakt recherchiert. Was sich nicht nachweisen ließ, hat er sich ausgedacht. Dies ruft er seinen Lesern aber immer wieder in Erinnerung. Es gibt Sätze, die mit „vielleicht“ oder „es könnte sein, dass“ beginnen. Das ist ein sehr ungewöhnlicher Stil, der mir jedoch ausgesprochen gut gefällt.

Keine der drei Hauptfiguren macht am Ende das, was sie wirklich wollte. Laura wird unfreiwillig zur Spionin, Felix studiert Physik und baut mit anderen Wissenschaftlern zusammen die Atombombe und Emile wird zum Handlanger von Arthur Evans, der meint, den Palast des Minos in Knossos auf Kreta entdeckt zu haben. Alle drei Schicksale haben mich sehr bewegt.

Capus ist es auf nur 282 Seiten gelungen, mir alle drei Menschen mit ihren Stärken und Schwächen nahe zu bringen. Besonders interessant fand ich die Vorgänge auf Kreta, da ich selbst schon diesen „Palast des Minos“ besucht habe und von der archäologischen Seriosität dieses Projekts nicht wirklich überzeugt war. Auch Lauras Geschichte ist mir nahe gegangen. Ihr Traum, eine ernsthafte Gesangskarriere einzuschlagen, zerplatzt leider sehr schnell. Also tritt sie, wie ihre Mutter, in Varietés auf, bis sie zur Spionin wird. Dem Schaffen Felix Blochs konnte ich jedoch nur schwer folgen. Schon in der Schule war mir das Fach Physik verhasst. Auch Alex Capus‘ interessanter Schreibstil konnte mir die Materie leider nicht näherbringen.

In einem Interview, das ich vor kurzem im TV gesehen habe, sagte der Autor, dass er mit seinen Büchern die Leser nur unterhalten wolle. Sie sollten dabei nicht auf die Sprache achten. Hier muss ich Alex Capus leider enttäuschen. Manche Sätze waren so schön, dass ich sie mehrfach gelesen und zum Teil sogar in ein Heft mit besonders schönen Sätzen abgeschrieben habe. Entschuldigung, Herr Capus, wenn ich nicht auf Ihre Sprache achten soll, dann müssen sie sich einen weniger ausgefeilten Schreibstil zulegen.

Fazit:
Drei Menschen, drei Schicksale, verwebt zu einem Buch, bei dem ich jeden Satz genossen habe.