Gekonnt geschriebener Thriller mit kleiner Einschränkung

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heinoko Avatar

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Winkelmann ist zweifellos ein Könner seines Faches. Das haben seine früher erschienenen Bücher von Mal zu Mal überzeugend bewiesen. Insofern hatte ich sehr hohe Erwartungen an „Der Fahrer“. Was vielleicht ein Fehler war. Denn gekonnt konstruiert und in Szene gesetzt ist „Der Fahrer“ auf jeden Fall, spannend zu lesen ist er auch. Und doch erscheint mir der Thriller ein wenig schwächer als die früher erschienenen Titel, zumindest was die erwartete angstauslösende Intensität betrifft.

Im Hamburger Stadtpark wird eine Tote gefunden, das Gesicht mit einer fluoreszierenden Farbe angemalt. Kommissar Jens Kerner und seine Kollegin Rebecca Oswald stehen vor einem Rätsel, auch nachdem sich herausstellt, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben, der junge Frauen auf perfide Art tötet und mit Leuchtfarbe bemalt zur Schau stellt. Scheinbar wahllos ausgesuchte Opfer, die nachts unterwegs gewesen waren. Die an vielen Orten auftauchenden Hashtags #findemich lassen mehr und mehr erkennen, dass diese Botschaften Jens Kerner persönlich betreffen. Doch nicht nur das: Beide Ermittler haben auch privat allerlei zu bewältigen…

Es gibt in diesem Thriller geniale Szenen, mehrheitlich die, in denen der Täter sich selbst, seine Sicht der Dinge, sein persönliches Erleben schildert. Es sind Sequenzen, die den Leser mitten hinein in die Gedanken- und Gefühlswelt des Mörders führen und eine gruselige Nähe zu ihm aufbauen. Das ist ja die besondere Stärke von Andreas Winkelmann, dieses geschickte Spiel mit Szenen, die dunkle Ängste auslösen und somit den Leser unmittelbar persönlich packen. Auch wieder genial gelöst ist der Aufbau einer sich steigernden Spannung aus wechselnden Perspektiven heraus mittels einer raffinierten überraschungsreichen Geschichte. Und doch blieb ich ein klein wenig enttäuscht zurück. Mag sein, dass ich in diesem Thriller weniger Zugang zu den beiden Ermittlern fand. Gerade weil dem persönlichen Hintergrund von Jens Kerner dieses Mal so viel Raum gegeben wurde. Ebenso dem komplizierten Hin und Her zwischen Rebecca und Jens, jenseits des Beruflichen. Das hätte ich nicht gebraucht, denn die teilweise trivial anmutenden Sequenzen rauben dem Thriller ein wenig die bei Winkelmann gewohnte schaudernde Intensität.

Fazit: Wieder ein raffinierter, sehr spannender, gekonnt geschriebener Thriller, jedoch nicht ganz so stark wie seine Vorgängerbände.