Zwischen Vergangenheitsbewältigung und Neuanfang

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Leon Frau ist tot, gestorben bei einem Fährunglück. Die Tochter war mit an Bord, ihre Leiche wurde nicht gefunden, wahrscheinlich ist auch sie tot.
Tot wie Kallmann. Kallmann war Lehrer - wie Leon. Nun will Leon einen Neuanfang, an neuem Ort, an Kallmanns Stelle.

Hakan Nesser erzählt die Geschichte(n) aus der Sicht seiner Figuren. In der Leseprobe hat der Leser (oder die Leserin) es mit vier Ichs zu tun, mit vier Charakteren. Ich selber habe neulich wieder mit Kollegen gestritten: Sie finden, die Ich-Erzähler-Perspektive schließe den Leser aus, da ja bereits das Ich des Erzählenden bzw. der Figur im Vordergrund steht. Ich selber habe "Ich"-Erzählungen meist gemocht. Bei der Leseprobe ist mir auch wieder einmal eingefallen, warum das so ist: Fast jede/r von uns kennt den Drang, Geschichten zu hören: Wenn uns ein Freund oder Verwandter eine Geschichte erzählt, dann geht es oft um Ereignisse, die die Person selber erlebt hat. Und ich höre gerne anderen zu.

Genau das war auch der Grund, warum mich die Figur "Leon", die als erste im neuen Nesser zu Wort kommt, mit seinen Gedanken in den Bann gezogen hat. Wir alle mögen Geschichten hören. Und wenn es um besondere Ereignisse geht, dann sind die umso interessanter. Leon hat von heftigen Ereignissen zu erzählen - daher ist es spannend, wie es mit ihm weiter geht.

Doch dann kommt noch ein Ich, und ein drittes und ein viertes ... Andrea, Igor, Ludmilla. Da ich die Namen aufschreibe, erstaunt mich, dass in einem skandinavischen Roman eher osteuropäische Namen auftauchen. Aber das nur am Rande. Andrea ist 15. Ich frage mich, ob sie Leons Tochter sein könnte. Bei ihr bleibe ich noch dran. Auch Igor ist Lehrer, bei ihm fällt mir dann der Lesefluss schwerer. Noch jemand, jemand der mir nicht so interessant erscheint ... Dann Ludmilla. Sie hat Selbstironie, das gefällt mir. Und Nesser schließt mit ihr einen Kreis. Denn Ludmilla kam schon im Leon-Teil vor, sie haben zusammen studiert, sie ist diejenige, die Leon nun nach der Trauer um seine Frau (und seine Tochter) an ihre Schule holt, als Nachfolger von Kallmann. Kallmann war ein befreundeter Kollege von Igor. Und Kallmann ist tot.

Wer nur diesen Leseeindruck liest, dem wird es möglicherweise so gehen wie mir mit der Leseprobe: An einigen Stellen geht man mit, aber teilweise hinterlassen einen die Fragmente auch ratlos.
Dennoch: Ich möchte gern erfahren, wie es Leon ergeht, ob seine Tochter noch lebt und wie und warum Kallmann gestorben ist. Daher würde ich mich über ein Leseexemplar dieses Buches freuen.