Cosy Ermittlungen

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Darum geht's:

Wilhelm Freiherr von Gryszinski ist preußischer Reserveoffizier und Kriminalbeamter, der mit Frau und Sohn nach München gezogen ist, um dort nach den neuesten wissenschaftlichen Methoden zu ermitteln. Gerade beschäftigt ihn der Mord am Bierbeschauer Sperber, der mit zerschossenem Gesicht und in einen Mantel aus Vogelfedern gehüllt, aufgefunden wird. Diesen Federmantel hat der prominente Münchner Neubürger Lemke für seine Frau anfertigen lassen, doch mit dem Mord will der Millionär nichts zu tun haben.

So fand ich's:

Ende des 19. Jahrhunderts ist die Kriminalistik im Umbruch. Kreative Köpfe erdenken sich neue Methoden, um Spuren zu sichern, Tatortszenen festzuhalten und Indizien zu sichern. Wilhelm Freiherr von Gryszinski ist auf dem neuesten Stand, denn er folgt den Lehren von Hans Groß und seinem Handbuch, die ihm bei seinen Ermittlungen immer wieder helfen. Aber nicht nur die Kriminalistik entwickelt sich weiter, auch in München selbst kann man z. B. von Pferden gezogene Trambahnen sehen. Und doch muss sich Gryszinski mit einer Forderung zum Duell auseinandersetzen oder eine Verfolgungsjagd mit Pferdegespannen hinter sich bringen.

Die Autorin schafft es wunderbar, das wohlhabende Leben der Familie Gryszinski am Ende des 19. Jahrhunderts und die Münchner Eigenheiten in die Handlung einzuweben. Obwohl Gryszinski Preuße ist, hat er eine Schwäche für bayerisches Essen und schnabuliert sich durch München. Überhaupt ist man mittendrin in der damaligen Zeit und kann sich lebhaft bildlich vorstellen, wie das Leben damals war.

Die Sprache ist etwas altertümlich und passt in die Zeit. Ich musste mich allerdings erst ein bisschen daran gewöhnen, dann fand ich die Formulierungen umso authentischer.

Die Ermittlungen laufen gemächlich an und lassen Platz für Gryszinskis Familienleben und dafür, dass tolle Nebenfiguren sich ausbreiten und entfalten können. Die Mordermittlung an sich wird solide erzählt und bildet den Rahmen für ein opulentes Drumherum. Neben dem Mord an Sperber gibt es auch noch eine politische Komponente, denn Bayern und Preußen sind zu der Zeit, in der das Buch spielt, noch zwei verschiedene Staaten. Gryszinski sitzt zwischen den Stühlen, denn er ist gerne in Bayern und dort öffentlicher Bediensteter, aber außerdem ist er noch preußischer Reserveoffizier. Dass man nicht zwei Herren dienen kann, macht ihm dann auch gehörige Probleme.

Spannend ist das Buch an sich schon, doch weniger wegen atemberaubender Action, sondern durch den menschlichen Faktor, der hier gekonnt ins Licht gerückt wird. Entsprechend ruhig und cosy ist auch die Erzählweise, sie besticht durch viele bunte Details, einen sympathischen und sehr menschlichen Ermittler Gryszinski und weitere sehr gelungene Nebenfiguren.

Wer sich gerne in vergangene Zeiten versenkt, der wird hier genau so viel Lesevergnügen haben wie ich.

"Der falsche Preuße" ist laut der Informationen auf der Vorablesen-Seite der Auftakt einer Krimireihe.