Vergnügliche Zeitreise mit viel Lokalkolorit

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rebekka Avatar

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Behäbig – das ist das erste Wort, das mir nach der Lektüre dieses Kriminalromans in den Kopf kam. Behäbig wie ein bayerischer Biertrinker, der im Hofbräuhaus seine Maß stemmt, kommt diese Geschichte vom Mord an einem Münchner Bierbeschauer daher. Der ermittelnde Kriminalbeamte, ein preußischer Reserveoffizier, der wegen seiner Kenntnis moderner Beweissicherungssmethoden an das Königlich Bayerische Gendarmeriekorps „ausgeliehen“ wurde, geht der Sache jedenfalls erstaunlich ruhig nach. Er ist alles andere als ein schneidiger Pickelhaubenträger, sondern ein Familienmensch, der viel Sinn für die schönen Seiten des Lebens hat.

Diese Charakterisierung erlaubt es der Autorin, ihre Leserinnen und Leser in aller Ruhe auf eine mit viel Lokalkolorit gespickte Zeitreise ins München des ausgehenden 19. Jahrhunderts mitnehmen. Wenn Freiherr Wilhelm von Gryszinski durch die Stadt wandert, freut man sich mit ihm an dem lebhaften Gewusel auf den Straßen und Plätzen, dem bunten Treiben auf den Märkten und den hübschen kleinen Häusern der Handwerker. Ganz zu schweigen von den leckeren Bratensemmeln und sonstigen Delikatessen, denen der preußische Kriminalpolizist gerne zuspricht.

Geschickt eingewebt in die Suche nach dem Mörder gibt Uta Seeburg darüber hinaus einen interessanten Einblick in die Anfänge der Kriminaltechnik. Damals begann man nämlich, wie sie schreibt, nach einem Verbrechen nicht mehr nur auf Zeugenaussagen oder mehr oder weniger freiwillig abgelegte Geständnisse zu bauen. Sondern ersann neue Wege, die Spuren am Tatort auszuwerten. So lässt Gryszinski am Fundort der Leiche Tatort-Skizzen und sogar Fotos anfertigen, während der ähnlich fortschrittliche Gerichtsmediziner nicht nur mit Fingerabdrücken experimentiert, sondern auch ein selbst erfundenes Sammelgerät für starke Gerüche einsetzt.

Das alles ist in einer ausgesprochen schönen Sprache und teilweise so humorvoll geschrieben, so dass die Lektüre zu einem reinen Vergnügen wird. Deshalb verzeihe ich der Autorin auch gern, dass die Geschichte einige Längen hat und sich zum Schluss sogar so hinzieht, dass ich einige Absätze schlichtweg überblättert habe.