Der Frauenjäger

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sissidack Avatar

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Erschreckend und grausam und doch zugleich nüchtern und klar beschriebt der Autor die Situation eines kleinen Jungen, der seine Mutter für das, was sie ihm und seinem Vater antut, verabscheut. Mama geht mit anderen Männern ins Bett während Papa, der sie vergöttert und alles für sie tun würde, sich abschuftet um ihr ein Leben zu bieten, dass sie nicht verdient hat. Bilder eines Videoclips von Metallica schießen mir durch den Kopf… Wie soll sich ein Junge entwickeln, der tagtäglich mitansehen muss, wie seine Mutter seinen Vater zum Narren macht? Nichts anderes bleibt übrig als sie eigene Mutter zu hassen und mit ihr alle Frauen, die es sich herausgenommen haben zu leben, wie es Männer seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten tun - sie nehmen sich, was sie wollen. Spaß haben um jeden Preis, und wenn es der eigene Partner nicht bringt gibt es ja genug andere, mit denen man seinen Spaß haben kann. Als Erwachsener, der die Situation versteht, ist man verletzt, als Kind, unwissend, warum Erwachsene handeln wie sie es tun, bleibt oft nur Unverständnis. Und aus Unverständnis entwickelt sich im Laufe der Jahre Hass - abgrundtiefer, alles verzehrender Hass auf Frauen, Frauen wie die eigene Mutter.

Jahre später nimmt der kleine Junge von damals Rache. Er rächt sich an Frauen, deren Verhalten dem seiner Mutter entspricht - Frauen, die die Männer benutzen um zu bekommen, was sie wollen. Unauffällig und ungesehen spricht er sie an, nimmt sie mit in seinem Auto und bringt sie früher oder später um. Fast schon kaltschnäuzig beschreibt der Autor, wie die jungen Frauen wenige Tage gefoltert werden und danach sterben.

Eigentlich wurde den leitgeplagten Männern der getöteten Frauen ja ein Gefallen getan, auch wenn sie das gar nicht wissen. Der Protagonist ist stolz auf sein tun, er beobachtet die Männer der getöteten Frauen noch jahrelang und erfreut sich an der Tatsache, dass diese nun - seiner Meinung nach - bessere Frauen gefunden haben.

Schrecklich und faszinierend zugleich beschreibt der Autor die Gedankengänge des Mörders - man könnte sich glatt in ihn hineinversetzen.

Scheinbar völlig losgelöst steht daneben die Geschichte von 4 jungen Frauen, die sich bereits seit ihrer Kindheit kennen, ihr Leben zusammen gelebt haben und ebenso gemeinsam ihre jeweiligen Partner gefunden haben. Die Lebensgeschichten der Frauen könnten kaum unterschiedlicher verlaufen sein. Schließlich wird eine der Frauen Opfer des frauenverachtenden kleinen Jungen, der mittlerweile zum Mann herangewachsen ist. Völlig unwissend, was mit ihr geschehen ist wacht sie eines morgens auf…

Zunächst fand ich es etwas schwierig, aufgrund der doch recht kurzen Einführung jeder der vier Frauen einen Leben zuzuordnen. Welche ist mit welchem Mann verheiratet, welchen Beruf üben sie jeweils aus, wie läuft das Leben im allgemeinen. Freundlicherweise sind jedoch die einzelnen Absätze des Buches jeweils mit den Namen der Hauptakteure überschrieben - sehr hilfreich wie ich finde. Aufgrund der detailreichen Beschreibung der einzelnen Leben fällt es leicht, sich in das jeweilige Paar hineinzuversetzen. Man kann sich bildlich vorstellen, wie ihr Alltag aussieht, wie glücklich oder unglücklich sie jeweils mit ihrem Leben sind.

Auch die Lage der inzwischen entführten - nichts anders kann ich mir die Situation erklären - Marlene ist so einfühlsam und genau beschrieben, dass man sich die Gefühlssituation, die Verzweiflung und die Angst genau vorstellen kann.

Der Autor vermag es, die Geschichte der 4 Familien und des Frauenjägers anschaulich und leicht verständlich bis ins Detail hinein zu schildern. Anhand der Beschreibungen fällt es nicht schwer, sich die in jeweilige Situation hineinzuversetzen. Die Handlung selbst ist zwar keine leichte Lektüre, jedoch machen Schreibstil, Erzählweise und Inhalt des Buches es zu einer Art Magnet. Man möchte es nicht mehr aus der Hand legen, bevor man nicht weiß, was mit Marlene geschieht. Und was ist mit dem scheinbar spurlos verschwundenen Andreas? Ist er vielleicht sogar der Frauenjäger?

Alles in allem finde ich, dass „Der Frauenjäger“ die Lektüre mehr als wert ist. Was der Titel verspricht, hält die Leseprobe. Schade, dass sie so kurz war!