Spannung ohne Gewalt und hohes Identifikationspotenzial

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**Kurze Inhaltsangabe bei amazon**

Während Dein Leben perfekt scheint, lauert er im Dunklen. Keiner weiß, dass es ihn gibt. Niemand hat die Zeichen erkannt, niemand die Frauen gefunden. Frauen, die seiner Meinung nach Parasiten sind, die sich von ihren Männern aushalten lassen und diese betrügen. Auch Marlene muss nicht arbeiten. Ihr Mann ist ein erfolgreicher Unternehmensberater, sie hat zwei wohlgeratene ältere Kinder, ein Haus – kurz: alles, was man braucht. Nur das Gefühl, gebraucht zu werden, das fehlt ihr oft. Nur zu gerne hilft sie ihrem alten Freund Andreas Jäger aus der Klemme. Kurz darauf erwacht Marlene in totaler Schwärze und erinnert sich nicht, wie sie in diese Finsternis geraten ist.

**Eigene Beurteilung**

_Zum Inhalt_

Der "Frauenjäger" hasst Frauen vom Typ seiner eigenen Mutter, die es sich zuhause auf Kosten ihres Mannes bequem machen und sich dann zu allem Überfluss unter Vernachlässigung ihrer Familie auch noch mit anderen Männern herumtreiben. Solche Schlampen und Parasiten auszurotten ist sein erklärtes Ziel. Acht Männer hat er bereits "befreit", als Marlene seine Nr.9 werden soll.
Marlene ist 42 Jahre alt, Hausfrau und Mutter von zwei wohlgeratenen fast erwachsenen Kindern. Ihr Mann Werner, ein erfolgreicher Unternehmensberater, trägt sie auf Händen und lenkt die Geschicke der Familie mit festen Händen. Eigentlich müsste Marlene glücklich sein, wenn sie ihr Leben mit dem ihrer drei Jugendfreundinnen Karola, Annette und Ulla vergleicht, die nicht auf Rosen gebettet sind. Die vier Frauen sind mit vier ebenfalls befreundeten Männern (Werner, Andreas, Christoph, Matthias) verheiratet, aber nur Marlene hat das große Los gezogen. Ihre Freundinnen kämpfen mit Problemen, die heutzutage weit verbreitet sind: Karola wurde von ihrem abenteuerlustigen und untreuen Mann verlassen und muss nun ihre Töchter allein durchbringen, Ulla muss nach zwei Geschäftspleiten ihres Mannes die Brötchen für die Familie verdienen, während ihr Mann die Schulden abstottert, außerdem hat sie viel Stress mit dem siebzehnjährigen Sohn, der alles Andere als gut geraten ist. Annettes Mann ist ein übergewichtiger und taktloser Tölpel, ganz im Gegensatz zu Werner, der diszipliniert und erfolgreich durchs Leben geht und immer noch attraktiv ist. Marlene fühlt sich jedoch nicht mehr ausgefüllt, seitdem ihre Kinder sie nicht mehr ständig brauchen. Die Leere im Leben einer unterforderten Frau wird für sie durch "The ballad of Lucy Jordan" von Marianne Faithfull symbolisiert, dieses Lied über eine Frau, die sich nicht gebraucht fühlt, begleitet sie quasi durch ihr Leben. Von ihrer unausgesprochenen Unzufriedenheit abgesehen, ist Marlene jedoch eine treusorgende Ehefrau und Mutter sowie eine gewissenhafte Hausfrau.
Umso verwunderlicher ist es, dass sie plötzlich eines Tages in einer vollkommen finsteren Höhle aufwacht. Sie weiß nicht, wie sie dorthin gekommen ist, sie kann nichts sehen und hört nur in einer nervtötenden Endlosschleife die Ballade von Lucy Jordan und gelegentlich ein Rauschen wie von einem Wasserfall. Als sie begreift, dass es sich nicht um einen schlechten Scherz handelt, beginnt sie um ihr (Über)leben zu kämpfen.

_Zum Aufbau_
Der Prolog ist aus der Perspektive des namenlosen Frauenjägers geschrieben, die Haupthandlung des Romans besteht aus abwechselnden Erzählsträngen, in denen die Gegenwart (Marlenes hilflose Lage in der Höhle) und die jüngste Vergangenheit (die letzten 10 Tage vor ihrer Entführung) beschrieben werden. Die Szenen ihrer Gefangenschaft sind jeweils mit "Nummer 9" überschrieben und verdeutlichen, dass ihr Entführer schon viele Frauen auf dem Gewissen hat, denen er nicht mal einen Namen, sondern nur eine unpersönliche Nummer zugesteht.
Die Rückblicke tragen als Überschrift jeweils Datum und Tageszeit der beschriebenen Erlebnisse.

Durch den Aufbau des Romans wird Spannung erzeugt, zumal es am Ende der "Nr.9"-Abschnitte meist einen kleinen Cliffhanger gibt. Die Spannung dieses Romans lebt jedoch nicht von bluttriefenden Gewalttaten, sondern eher vom Beziehungsgeflecht der Hauptpersonen und der Unterströmungen darin. Von subtiler Spannung ist auch die Entwicklung Marlenes in einer Extremsituation. Nachdem der Leser sie im Alltag als
sehr angepasst , schüchtern und vor allem wenig selbstbewusst kennengelernt hat, muss sie nun ,ganz allein auf sich gestellt, Stärken mobilisieren, von denen sie nicht mehr weiß, dass sie sie überhaupt besitzt.
Bis zum Schluss spannend bleibt die Frage nach dem Motiv des Täters. Den Frauenjäger kann man zwar relativ früh entlarven, jedoch erfährt man erst zum Schluss, warum Marlene, die mit den anderen Opfern so gut wie nichts gemeinsam hat, seine Aufmerksamkeit erregte.

_Fazit_

"Der Frauenjäger" ist meiner Meinung nach ein außergewöhnlich gelungener Psychothriller, obwohl, bzw. **gerade weil** es zu keinerlei Gewalttaten kommt. Die Beklemmung des Lesers rührt eher daher, dass man sich je nach dem persönlichen Leben mit der einen oder anderen Hauptfigur identifizieren kann. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass immer wieder Dinge aus der Alltagswelt der Leser angesprochen werden, von aktuellen Hits  bis zu nerviger Radiowerbung, die jeder zu Genüge kennt.
Für mich ist dieses Buch ein Highlight meiner diesjährigen Lektüre, für das ich  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")  ![:bewertung1von5:](http://www.buechertreff.de/wcf/images/smilies/sternGanz.png "Bewertungs-Sternchen")  vergebe und das ich Lesern psychologisch angehauchter Romane gern empfehle. Wer einen blutigen Thriller erwartet, ist aber mit diesem Buch nicht gut beraten.