Aufbruch und Emanzipation in den 60ern - ein unterhaltsamer Schmöker

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
gluexklaus Avatar

Von


Clara von Thoraus großer Traum erfüllt sich, als sie 1962 an der Photoakademie in München aufgenommen wird. Doch dann lernt sie während der Schwabinger Krawalle Freddy kennen, der ihr gewaltig den Kopf verdreht. Gemeinsam mit ihrer Freundin Sanni folgt sie ihm nach Hamburg. Dort möchte sie bei einer Zeitung als Reporterin arbeiten und über wichtige politische Ereignisse berichten. Doch der politische Journalismus ist noch eine Männerdomäne und Clara verfügt zudem über keine Erfahrung auf diesem Gebiet. Ob sie dennoch ihren Weg geht?

Theresia Graws erzählt gut verständlich und flüssig in der dritten Person Vergangenheit. Ihr Schreibstil liest sich unkompliziert und mühelos. Es bereitete mir daher keinerlei Mühe in die Geschichte hineinzufinden.

Hauptfigur Clara von Thorau ist noch sehr jung. Sie zeigt sich selbstbewusst und ehrgeizig, weiß sehr genau, was sie beruflich erreichen möchte. Doch das entspricht nicht unbedingt den allgemein geltenden Vorstellungen und so sieht sich Klara mit Widerständen und Vorurteilen konfrontiert. So leidenschaftlich sich Klara für ihre Ziele einsetzt, so naiv und unreflektiert agiert sie aber auch manchmal. Sie wird nicht ganz so couragiert und stark dargestellt wie ihre Stiefmutter Dora Twardy in den Vorgängerbüchern der Reihe. Auch Claras Freundin Sanni, die gerne so berühmt wie Marilyn Monroe wäre, ist eine Träumerin, die manchmal die Realität ausblendet.

Autorin Theresia Graw verbindet geschickt Fiktion mit wahren Ereignissen. Clara gerät in die Schwabinger Krawalle, erlebt die Beatles im bekannten Hamburger „Star Club“ und ist live bei John F. Kennedys weltberühmte Berliner Rede vor Ort. Zeitgeschichte wird hier aus Claras Sicht erzählt, wird durch sie lebendig. Das hat mir sehr gut gefallen. So verpackt macht Geschichte Spaß, erhält ein individuelles, persönliches Gesicht und kommt überhaupt nicht trocken daher. Im Verlauf erfährt Clara von den Schrecken des Krieges, den unvorstellbar grausamen Taten der Nazis, den Mord an Millionen von unschuldigen Menschen in Konzentrationslagern. Wie viele andere junge Leute zu der Zeit, treibt sie Frage um, wie die Generation ihrer Eltern angeblich nichts von den Verbrechen mitbekommen konnte, diese zulassen und dabei tatenlos zusehen konnte. Der Konflikt, den viele junge Menschen Erwachsene damals mit der Generation ihrer Eltern austrugen, wird im Roman deutlich beschrieben und nachvollziehbar dargestellt. Natürlich wird diese Thematik aber nicht ausgiebig, sondern nur nebenbei behandelt, bleibt daher freilich oft nur an der Oberfläche. Das Ende hat mich nicht vollends überzeugt, kommt mir ein wenig zu hastig.
Der Roman schildert insgesamt kurzweilig und packend Claras Entwicklung, ihren persönlichen Aufbruch, erzählt somit auch die Geschichte der Familie Twardy weiter. „Der Freiheit entgegen“ kann aber auch unabhängig von den anderen Bänden der Reihe „So weit die Störche ziehen“ und „Die Heimkehr der Störche“ gelesen werden. Claras Geschichte ist nicht ganz so hochdramatisch, mitreißend, aufwühlend und emotional fesselnd wie die beiden Vorgängerbände, schließlich sind die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe doch etwas friedlicher geworden. Aber die ruhigere Geschichte ist dennoch eine absolut würdige Fortsetzung der Serie. Ich habe den unterhaltsamen, gut recherchierten Schmöker mit dem interessanten geschichtlichen Hintergrund sehr gerne gelesen und kann ihn und die gesamte Reihe uneingeschränkt weiterempfehlen.