die wilden 60er und der Drang nach Freiheit - unterhaltsamer 3.Teil der Gutsherrin-Saga

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Dies ist schon der 3.Teil der Gutsherrin-Saga, in dem wir im Vergleich zu den vorangegangenen mehr über Dora Twardys Stieftochter Clara erfahren. Der Krieg ist vorbei und die 60er Jahre sind angebrochen. Für viele Motivation, sich frei und unabhängig zu fühlen.

Das spürt man auch bei den Entscheidungen, die sowohl Clara als auch ihre Freundinnen Sanni und Maria treffen.Angeheizt von Claras Freund Freddy zieht es sie nach Hamburg, in der Meinung, dort eher den Traum als Fotografin verwirklichen zu können.

Während der Zeit von Marilyn Monroe, Westside Story, Twistdance, der Antibabypille, den Beatles, und dem Besuch von John F.Kennedy begleiten wir sie auf ihrem Weg zur erhofften Freiheit, die so ganz anders verläuft als sie es sich vorgestellt hat.

Immer noch herrscht das Denken vor, dass Frauen heiraten, Kinder bekommen und sich um den Haushalt kümmern, deshalb ist es nicht so einfach, beruflich vorwärts zu kommen, was auch Clara ziemlich schnell feststellen muss.

Die drei Frauen könnten gar nicht unterschiedlicher sein und jede hat mit den momentanen Umständen zu kämpfen. Die Entwicklung der drei ist interessant und überraschend, obwohl für mich die Geschwister Maria und Dino aus Italien die stärksten Rollen eingenommen haben. Beide haben das Restaurant ihres Onkels Bella Napoli in Hamburg übernommen und sind so charakterstark, so liebenswert und haben Clara und Sanni so viel Unterstützung gegeben, trotzdem es für sie auch alles andere als leicht ist, gerade auch mit der sprachlichen Barriere. Ihr Akzent hat die Geschichte richtig aufgelockert und unterhaltsam gemacht und besonders Marias steigendes Selbstbewusstsein hat mir so gefallen.

Dagegen fand ich das teils sehr egoistische Verhalten von Clara und Sanni nicht immer nachvollziehbar, vieles hat mich verwundert, besonders die Naivität und auch, dass gerade Clara trotz ihrer jungen Jahre einfach so nach Hamburg gehen und dortbleiben durfte, obwohl sie noch gar nicht volljährig war und die Eltern das einfach so unterstützt haben. Einerseits wollen sie schon so erwachsen sein, doch ihr Handeln ist teilweise noch sehr kindisch, egoistisch und leichtgläubig. Dadurch fiel es mir ziemlich schwer, mit Clara richtig warm zu werden. Ebenso auch Freddy, ein Möchtegern und Überflieger, der denkt, er kann durchs Leben schweben, muss mit keinen Konsequenzen rechnen und keine Verantwortung übernehmen.

Claras Stiefmutter Dora nimmt in diesem Teil leider nur eine Randfigur ein, was aber der Entwicklung und der vorangeschrittenen Jahre geschuldet ist. Dennoch fand ich es gut, dass zumindest durch den Auschwitz-Prozess der Krieg hier auch noch eine wesentliche Rolle gespielt hat und dieser auch durch Claras Kinderfreund Leo als Staatsanwalt als für mich spannendstes Element in diesem Buch interessant eingebaut wurde. Seine sanfte, liebevolle und zugleich auch emotionale Art waren etwas ganz Besonderes, ebenso sein Geschenk mit dem Kompass.

Insgesamt hat mir die Geschichte gut gefallen, sie war gut recherchiert, es entstand eine gute Mischung aus wahren Begebenheiten und Fiktion, die gut miteinander verwoben wurden. Dennoch fehlte mir dieser bislang so gewohnte Spannungsbogen, es ist eine Ansammlung von Ereignissen, während den Charakteren allerdings die gewohnte Tiefe und Nähe ausblieb.

Vom Schreibstil fand ich es flüssig, unterhaltsam, doch so richtig Fahrt aufgenommen hat es nicht und zog sich daher durch einige Passagen.

Dennoch kann ich die Geschichte empfehlen, zeigt sie doch, dass Freiheit so verschieden sein kann, für die einen bedeutet es Unabhängigkeit, erwachsen werden, aus Fehlern lernen, niemals seine Träume aufgeben und eingestehen, dass nicht alles, was nach Freiheit aussieht, auch wirklich Freiheit ist.

Andererseits empfand ich die Einbindung des Auschwitz-Prozesses gut gewählt, weil hier die andere Art von Freiheit einbezogen wird, wenn all die Verbrecher, die sich die Freiheit nahmen, über das Leben anderer zu entscheiden und ihnen auf die schlimmste Art Leid zufügten nun selber erfahren mussten, dass sie dafür zur Verantwortung gezogen werden und von ihrer selbstgerechten Art auf den Boden der Tatsachen geholt wurden.