Lebendige Lebens- und Lesereise

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singstar72 Avatar

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Das Buch ist der dritte Band einer Familiensaga, was aber nicht weiter auffällt. In den beiden Vorgängerbänden ging es um die Mutter Dora und deren Geschichte, in diesem dritten Band nun um deren Tochter Clara. Dora taucht nur noch am Rande auf.

In Wahrheit aber ist das Buch vielmehr ein Panorama der 60er Jahre; der wahre Held ist die Bundesrepublik dieser Zeit, die Entwicklungen, die sich abspielten. Clara und ihre Freundinnen Sanni und Maria dienen vielmehr als Beispiele, an denen verdeutlicht wird, was Frauen in dieser Zeit an Entwicklungen durchgemacht haben.

Hier würde auch mein Kritikpunkt liegen. In ihrem Eifer, die 60er Jahre in Deutschland zu schildern, hat die Autorin bisweilen die Logik der Handlung und die Psychologie der Figuren vernachlässigt. Manches ist arg dem Zufall geschuldet - eine damals 18jährige geht nach Hamburg, ohne Wissen der Eltern - und wird nicht einmal von der Polizei gesucht? Sie findet eine Anstellung ohne abgeschlossene Ausbildung? Nun ja. Andererseits ist das Buch wirklich flüssig geschrieben, mit lebendigen Situationen und Dialogen. Insofern gleicht sich das Leseerlebnis wieder aus.

Die Hauptfigur Clara hätte ich manchmal schütteln mögen - gerade im ersten Drittel des Buches war sie recht naiv. Zum Glück macht sie eine Entwicklung durch. Die Nebenfiguren Sanni und Maria wirkten sympathischer, runder, erwachsener. Von ihnen hätte ich gerne mehr gelesen. Generell gilt, dass das Buch, gerade im letzten Drittel, an Tiefe gewinnt. Leider wirkt es am Schluss eine Spur "gerafft", zeitliche Abläufe werden verkürzt, so dass es ein wenig abrupt zu Ende ist.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen. Es liegt zeitlich genau eine Generation vor meiner - das war interessant. Die Einführung der Pille, die Beatles, damals aktuelle Schlager, die Studentenunruhen von Schwabing, John F. Kennedy, Wirtschaftswunder, und Nazi-Prozesse... es war belebend, davon mal nicht in einem Geschichtsbuch zu lesen.

Ich würde es als gute, solide Unterhaltung bezeichnen, der man aber nicht zu kritisch begegnen darf.