Lebenskluger und warmherziger Humor

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elviga Avatar

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Wie ich in meinem Leseeindruck schon geschrieben hatte, gefällt mir der Titel nicht, da er all zu sehr auf der Erfolgsschiene vom "Hundertjährigen der aus dem Fenster stieg..." mit schwimmt. Doch der schwedische Originaltitel ist ein völlig anderer, also wollte ich mal über diesen blödsinnigen deutschen Titel wohlwollend hinwegsehen.
Schön, dass ich das tat - und noch schöner, dass ich das ganze Buch lesen durfte, denn es hat sich wirklich gelohnt!
Mir war vor dem Lesen nicht klar, dass es sich um einen zweiten Band handelt und dass der Roman auf "Der Fünfzigjährige, der nach Indien fuhr und über den Sinn des Lebens stolperte" aufbaut. Doch das war kein Schaden, denn ohne umständlich zu wirken werden die wesentlichen Fakten aus dem ersten Roman erklärt, so dass man problemlos alles versteht. Man bekommt zwar durchaus Lust darauf, auch noch den ersten Band zu lesen, aber zum Verständnis des Textes ist das absolut nicht notwendig.
Göran Borg ist mittlerweile nicht mehr 50 sondern schon ein Mittfünfziger, die Kilos die er bei seinem Indienaufenthalt verloren hatte, sind wieder alle drauf und auch sonst ist nicht viel geblieben von dem schönen Satz, dass Indien noch jeden verändere, der länger dort gewesen war. Göran ist wieder mittendrin in der Malmöer Misere: sein Job als Werbetexter ist irgendwie so richtig zäh, er ist immer noch neidisch auf den "neuen" (auch schon ein paar Jährchen her) Freund seiiner Exfrau und einzig seine Tochter ist ihm mit ihrer offenen, kritischen aber liebevollen Art eine echte Stütze. Zu seinem Sohn hat er nahezu keinen Kontakt und viele Freunde hat er auch nicht.
Als seine Tochter ihm dringend rät, eine Therapie zu beginnen, legt er sich gemeinsam mit der durchaus sympathischen Psychologin einen Plan zu, den er abarbeiten solle. Ganz oben auf der Liste steht zum Beispiel, dass er sich verstärkt um seine sozialen Kontakte kümmern solle. Also begibt er sich zum ersten Mal seit langem wieder zu seinem Herrenabend, einer Art Stammtisch alter Freunde.
Dieser Abend verläuft viel netter als anfangs gedacht, denn es taucht ein neuer Mann auf (Bekannter eines Bekannten) mit dem Göran sich spontan super versteht. Ein Seelenverwandter! Doch als er eines Abends bei ihm ist und auf der Toilette lauter Schwulenmagazine sieht, bekommt er es mit der Angst zu tun und verdünnisiert sich.
Seine Tochter wirft ihm (völlig zu Recht meiner Meinung nach) Homophobie vor und liest ihm ordentlich die Leviten. Doch Göran reicht es nun, denn auch seine Versuche, Kontakte herzustellen laufen nicht so wie erhofft - und alles andere sowieso nicht.
Sein Freund Yogi aus Indien hat ihn ja immer wieder zu seiner Hochzeit mit Lakshmi eingeladen, doch diese wird immer wieder aus astrologischen Gründen verschoben. Göran möchte aber wieder unbedingt nach Indien und zwingt Yogi seinen Besuch mehr oder weniger auf.

Der größte Teil des Romans spielt dann in Indien, zuerst in Delhi, später in den Bergen Darjeelings. Der unheimlich freundliche und gutmütige Yogi hat eigentlich noch viel mehr Probleme als Göran, und die Rolle des guten Freundes, als der er ihm beistehen kann, lenkt ihn wunderbar von dem ganzen Mist in Schweden ab. Yogis Probleme: eine überkritische Mutter, der es keiner Recht machen kann, in deren Haus er aber lebt; eine Hochzeit, die immer wieder verschoben wird; ein Vertragspartner, der ihn übelst übers Ohr gehauen hat und noch einiges mehr.
Da er nun nahezu kein Geld mehr hat, wird er auch die teure Hochzeit nicht ausrichten können und er sieht sein Lebensglück davon schwimmen. Doch da taucht wie durch ein Wunder ein englischer Geschäftsmann auf, der ihm zu einem guten Preis eine Teefarm in Darjeeling verkauft.
Er und Göran (der immer wieder seinen Urlaub verschieben muss um noch ein wenig in Indien zu bleiben) fahren dort hin, aber: eine sehr böse Überraschung wartet dort auf sie!
Wie die Liebe (in Form der durchsetzungsfähigen und mutigen Lakshmi), die Freundschaft (ja, unser Göran) und eine Portion Glück dann doch noch für ein Happy End sorgen, möchte ich nicht verraten.
Nicht nur Yogi findet sein Glück, sondern auch Göran verändert sich - zum Positiven.
Vieles an diesem Roman ist ein wenig übertrieben, manches sehr unwahrscheinlich, aber was ist eigentlich schlecht an überbordender Fantasie? Na eben! Wenn sie so flott, so warmherzig, lebensklug und unterhaltsam serviert wird wie hier, ist da gar nichts falsch dran!
Wer auf große Literatur hofft (aber das wird bei diesem Titel sowieso niemand tun) ist definitiv falsch!
Wer auf primitiven Schenkelklatscher- Humor hofft, ist aber ebenso falsch - wer sich auf einen richtig schönen, erstaunlich intelligenten, humorvollen Unterhaltungsroman freut, der ist hier richtig!
Ein Buch, bei dem ich mal richtig verstehe, was mit einem "Wohlfühl - Buch" gemeint ist, denn ich fühlte mich sowohl beim Lesen wie auch danach so richtig wohl!