Was soll mir das Buch sagen?

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Gestaltung: Von der Aufmachung des Buches war ich sofort verzaubert. Ich finde es großartig, dass der Verlag das Design an "Die Mitternachtsbibliothek" angepasst hat. Auch dieses hier ist wieder in einem dunklen Blauton gehalten und hat silberne Glitzerpunkte als Detail auf dem Umschlag. Das Symbol des Mädchens im Vogelkäfig passt hervorragend zu der Geschichte und verrät doch nicht zu viel. Von der Gestaltung her hätte der Verlag nichts besser machen können, einfach ein Schmuckstück.

Darum geht's: Nachdem Terence Cave schon zahlreiche geliebte Menschen verloren hat, ist es nach dem Unfalltod seines Sohnes Reuben besonders schlimm. Er beschließt, seine Tochter Byrony mit allem, was er hat, vor Unheil zu bewahren. Doch was als liebevoll Geste eines besorgten Vaters beginnt, wird bald zu bitterem Ernst. Terence verbietet der 15-jährigen Kontakt zu Freunden, auszugehen und all das zu machen, was Teenager gerne tun. Doch als er bemerkt, dass er Bryony Stück für Stück verliert, ist es fast zu spät...

Idee/ Umsetzung: Ich habe vor dem Lesen des Buches wenig über den Inhalt gewusst, weil ich es besonders bei Matt Haig liebe, mich in seine Geschichten fallen zu lassen. Wir erleben diese Geschichte aus der Perspektive von Terence Cave, der Bryony in "Du-Form" von seiner Sicht der Dinge erzählt und bereits zu Anfang einräumt, dass seine Sicht sich von der seiner Tochter unterscheiden wird. Zu Anfang dachte ich, dass wir vielleicht anschließend Bryonys Sicht kennenlernen, das ist aber nicht der Fall.

Schreibstil: Der Schreibstil des Autors ist gut zu lesen, aber in dieser Geschichte geprägt von Schwermut, Surrealität und Niedergeschlagenheit. Er arbeitet wieder viel mit Metaphern, was gut zur Geschichte passt und alles sehr echt wirken lässt. Aufgrund dessen hat mich die Handlung ebenfalls sehr heruntergezogen und ich brauchte trotz der wenigen Seiten öfter mal eine Pause. Man sollte wissen, dass dieses Buch sehr düster, bedrückend und traurig ist. Ich würde soweit gehen, dass eine Triggerwarnung dem Buch gut tun würde. Für mich persönlich waren die Stimmung und auch die dunklen Elemente der Geschichte aushaltbar, aber wirken merklich auf die Psyche der Leser*innen.

Handlung: Die Handlung war leider nicht wirklich mein Fall. Ich kam sehr schwer in die Geschichte hinein, nicht zuletzt durch die ungewöhnliche Erzählform. Es schien so, als würde Terence durch uns zu Bryony sprechen, aber ich war dadurch eher irritiert, als dass Nähe entstand. Daran konnte ich mich nach und nach gewöhnen, aber letztendlich passiert eigentlich nicht viel. An vielen, vielen Szenen wird demonstriert, wie Terence Bryony immer mehr verbietet, sei es das Haus zu verlassen, allein von der Schule nach Hause zu gehen, Parties oder Freunde zu besuchen. Während Bryony dagegen immer mehr rebelliert, verliert Terence zunehmend den Bezug zur Realität, was in vielen surrealen Szenen resultiert, in denen er zu seinem Sohn Reuben spricht, Blackouts hat und wahnhaften Ideen folgt. Obwohl das sehr psychologisch dicht beschrieben wird, war es das mit der Handlung schon fast und irgendwie war mir das zu dünn. Ich habe auf eine Wendung der Situation gehofft, irgendeinen Kniff, der leider ausblieb. Es wirkte auf mich im Nachhinein wie eine moderne Adaption des Klassikers "Psycho" in Bezug auf eine Vater-Tochter-Beziehung, aber ohne das besondere Etwas.

Charaktere: Die Figuren waren für mich der größte Kritikpunkt des Buches. Bryony kommen wir durch die alleinige Erzählperspektive ihres Vaters überhaupt nicht nahe, und dennoch konnte ich sie besser verstehen als ihren Vater. Möglicherweise kann ich mich einfach besser in eine 15-jährige hineinversetzen als in einen Familienvater, aber ich habe es sehr gut nachvollziehen können, dass sie ihre Teenager Jahre genießen möchte, sich heimlich rausschleicht und jugendlichen Leichtsinn begeht. All das gehört dazu und ist in meinen Augen okay. So hat das glücklicherweise auch Caves Schwiegermutter gesehen, die ich als Charakter noch halbwegs sympathisch fand. Für mich war Terence Einstellung zu dem ganzen schon von Beginn an ungesund und überzogen. "The possession" passt in meinen Augen im englischen Originaltitel sehr viel besser, denn mit Fürsorge hat Terences Verhalten kaum noch etwas zu tun. Mir ist bewusst, dass Terence ein wahnhafter, kranker Charakter sein soll, der sich immer mehr in eine Psychose reinsteigert, und dennoch war mir der Übergang hier zu fließend. Einzelne Rückblenden geben kurze Einblicke in seine Vergangenheit, aber dennoch hat sich mir der gesamte Prozess nicht erschlossen. Die anderen Figuren blieben furchtbar blass, sowohl Bryonys Freunde, als auch andere Erwachsene. Schade, aber hier merkt man deutlich, was für eine Entwicklung Matt Haig hier hingelegt hat, heutzutage sind seine Figuren um Längen plastischer und mit viel Tiefgang gezeichnet.

Ende: Mir war recht schnell klar, auf was für eine Art von Ende es hinauslaufen wird. Genauso trat es dann ein und ließ mich leer und ratlos zurück. Ich weiß nicht, was für eine Botschaft der Autor hier weitergeben möchte. Es gibt zu keinem Zeitpunkt einen Lichtblick, weder wird Terence Hilfe angeboten, noch ergreift er selber die Möglichkeit, sich Hilfe zu holen. Ein Buch voller Hoffnungslosigkeit, die leider auch nicht durch ein Nachwort oder ähnliches aufgefangen wird- schade!

Fazit: Nach der großen Liebe zu "Die Mitternachtsbibliothek" war dieses Buch hier leider nicht mein Fall. Die Geschichte um Terence Cave und seine Tochter Bryony ist durchzogen von Schwermut, Hoffnungslosigkeit und Tragik, ohne uns Leser*innen am Ende einen Lichtblick zu geben oder eine Botschaft zu vermitteln. Wer ohnehin sensibel für solche schwere Kost ist, sollte schauen, ob er oder sie sich die Lektüre zutraut. Für mich hatte sie leider keine Aussagekraft und hat mich einfach sehr heruntergezogen, weshalb ich das Buch aufgrund der Handlung und der Figuren nicht empfehlen kann. Erfreuen wir uns lieber an Matt Haigs neueren Werken.