Leises Glück im Papierformat

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gürkchen Avatar

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Für Unbeteiligte mag das Zuhause von Toja aussehen wie eine Villa Kunterbunt, die Nachbarn mit ihrem üppigen Unkraut im Garten und dem quietschbunten Chamäleon auf dem Dach ärgern will. In Wirklichkeit ist dies jedoch ihr heimeliger Rückzugsort, der feste Kokon, der einen Anker für ihr höchst zerbrechliches Selbstwertgefühl darstellt.
Als eines Tages die 14-jährige Vica an dem Gartenzaun steht und sehnsüchtig hinüberschaut, lädt Toja das Mädchen sanft ein, sich umzusehen, woraus still und langsam eine tiefe Freundschaft wächst. Gemeinsam mit dem tüchtigen Mann namens Bär wohnt Toja dort in ihrem Paradies voller Naturwunder und hält die Erinnerung an Wilhelmine „Wille“ Sande, die trotz einer schweren Muskelschwunderkrankung niemals die Freude am Leben verlor, aufrecht. Die unverrückbare Botschaft hinter Willes Lebenswerk ist wunderbar einfach und man möchte sie hinausschreien in eine kriegsgetriebene Gegenwart: Seid glücklich und zwingt anderen nicht eine vermeintlich allgemeingültige Doktrin auf.

Bei besonderen Büchern möchte ich für potenzielle Käufer die Rezension immer gerne mit Lieblingszitaten aufwerten, um die Neugierde auf den Inhalt zu steigern. Ich habe in diesem Roman irgendwann leider aufhören müssen, mir Notizen zu machen, weil es die Rezension sprengen würde, wenn ich die ganzen Passagen aufzählen würde. Um anderen trotzdem die Möglichkeit zu geben, vorab in die bildliche Sprache von Patricia Koelle-Wolken abzutauchen, möchte ich exemplarisch ein malerisches Zitat teilen.

„Ich richtete mich auf und stellte fest, dass die Stimme, die wie dunkle Schokolade mit einer leichten Salznote klang, zu einer Frau in einem Elektrorollstuhl gehörte.“ (S. 22)

Der Autorin gelingt es, nicht nur eine sonnenwarme Atmosphäre mit ihren Beschreibungen von aufspringenden Blüten in unzähligen, naturnahen Blumenbeeten, vibrierender Geschäftigkeit der Insekten im Gartenparadies und dem leckeren Duft von fernen Kräutern zu zaubern, sondern durch die Protagonisten auch Herzenswärme in unserem Innersten zu erzeugen. Die kleine Gemeinschaft von Menschen, die allesamt ihr persönliches Päckchen im Leben zu tragen haben, verbindet schlussendlich der Frieden eines Sommeratems und lässt uns nach der Lektüre automatisch milder im Alltag zurück.

„Es ist, als ob alles andere unwichtig ist und dass alles hier um uns rum mich trägt und durch mich durchfließt und in mir drin ist. So als ob ich eine Seifenblase bin und voller Licht und fliegen kann.“ (S.88)

Ich gehöre auch eher zu den stilleren Menschen und kann z. B. die Panik von Vica vor einem Schulreferat auch noch Jahre nach dem Abschluss beinahe psychisch spüren. Die behutsame Art und Weise, wie die Autorin uns in die Seelenwelt von introvertierten Personen einlädt, gefällt mir ausgesprochen gut. Nur in wenigen Gesprächen mit Vicas Vater rutscht es ganz leicht in einen belehrenden Ton ab. In den jungen Jahren des Erwachsenwerdens hätte ich mir auch fast schmerzlich eine Wille oder Toja an meiner Seite gewünscht, die Verständnis für diese gewisse „Kauzigkeit“ aufbringen, die eigentlich nur eine andere Normalität ist.
„Der Garten der kleinen Wunder“ erhält einen besonderen Platz in meinem Bücherregal. Sollte es mir irgendwann wieder schlecht gehen, weil die Welt um mich herum zu laut oder zu fordernd wird, möchte ich dieses zauberhafte Kleinod an leise Menschen jederzeit greifbar haben – wie eine Art Kurztherapie.