Katze in Fernost

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Der Ich-Erzähler dieses kleinen Romans bleibt namenlos, genau wie seine Frau, doch es dürfte sich hier um ein autobiographisches Erlebnis des japanischen Autors Takashi Hiraide handeln. Was für feinsinnige, sympathische Leute, habe ich mir immer wieder gedacht,warum habe ich nicht solche Menschen als Nachbarn? Erschöpt vom großstädtischen Leben und seiner Tätigkeit als Lektor, bezieht der Protagonist mit seiner Frau ein vorstädtisches Gartenhaus. Der Nachbarsfamilie läuft eine kleine scheue Katze zu, genannt Chibi. Diese ist irgendwie überall daheim, denn sehr oft leistet sie auch dem jungen Paar Gesellschaft, so dass die beiden sie nahezu als ihre Katze betrachten und eine tiefe Zuneigung zu ihr entwickeln. Dabei bleibt Chibi stets in ihrem Herzen eine Streunerin, flüchtig wie eine Wolke, der Welt entdrückt. Wie es der Titel schon sagt, letztendlich bleibt sie ein Gast im Garten. Trotzdem nimmt sie einen großen Stellenwert ein.
Der Ich-Erzähler gibt seine Verlagstätigkeit auf und arbeitet nun von zu Hause aus. Doch nichts ist von Dauer, und irgendwann zeichnet sich ab, dass das Gartenhaus verkauft und abgerissen werden wird. Am meisten beunruhigt dabei der mögliche Abschied von Chibi. Nur selten klingt an, dass man es hier mit einem in Japan angesiedelten Roman zu tun hat, lediglich, wenn nun z.B. ein neues Domizil mit Hilfe eines Wahrsagers gesucht wird. Doch wie so oft geht das Leben ganz andere Wege. Der Abschied von Chibi kommt auf ganz andere Art und Weise, denn kurz vor dem Umzug wird sie von ihrer eigentlichen Familie tot aufgefunden. Ein Autounfall wird vermutet, doch der Ich-Erzähler rekonstruiert für sich schließlich auf den letzten Seiten der Geschichte, dass Chibi sie entgegen all ihrer Gewohnheiten vor ihrem Ende schon nicht mehr besucht hat. Der Tod der kleinen geliebten Katze bleibt so rätselhaft wie ihr scheuer Charakter.
Es handelt sich hier um ein sehr schmales Bändchen, das ich auf dem Weg zur Arbeit und zurück ausgelesen habe, zumal auch noch einige Zeichnungen den Raum kürzen, den die Geschichte einnimmt. Chibi stirbt schon nach zwei Dritteln der Geschichte, nachvollziehbar und ausgiebig betrauert. Es vergeht viel Zeit, bis das Paar nach ihrem Umzug neuen Katzen ihr Herz öffnen kann. Trotz der Kürze der Geschichte ist mir der Protagonist ans Herz gewachsen. Als große Katzenliebhaberin hat auch mich der Tod der kleinen Chibi bewegt. Handelt es sich hier um einen Katzenroman? Der Klappentext bringt es wunderbar auf den Punkt: "Ein poetisches und ergreifendes Buch über das flüchtige Glück des Daseins."