Geistliches Manifest statt heiterer Lektüre

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Einer der bekanntesten Filme des französischen Komikers Louis de Funes ist “Die Abenteuer des Rabbi Jakob”. In dieser spritzigen Verwechslungskomödie aus dem Jahr 1973 schlüpft er als rassistisch eingestellter Unternehmer in die Rolle eines jüdischen Geistlichen. Ohne die geringsten Glaubenskenntnisse stolpert dieser falsche Gelehrte, zur größten Unterhaltung des Zuschauers, von einem Fettnäpfchen zum nächsten. Einen ähnlichen Reigen an Situationskomik und kuriosen Einfällen hatte ich mir auch von Steve Sterns “gefrorenem Rabbi” erwartet. Titel und Klappentext klangen vielversprechend. Hätte ich mir lieber den Film noch mal angeschaut!

 

Bernie Karp lebt mit seinen Eltern in Tennessee. Eines Tages findet er einen großen Eisblock mit einem gefrorenen Rabbi in der Tiefkühltruhe seiner Eltern. Ein Erbstück das sich seit langem im Besitz der Familie befindet, erklärt ihm sein Vater beim Abendessen. Als es während eines Sommergewitters zu einem Stromausfall kommt, taut der Rabbi auf und wird von dem fünfzehnjährigen aus seinem kühlen Grab errettet. Aus den 1890er Jahren direkt ins Jahr 1999 katapultiert, erkennt der wiederbelebte Geistliche bald worauf es ankommt in der modernen Zeit. Während sein junger Retter anfängt sich die Geheimnisse des jüdischen Glaubens anzueignen, beginnt sein Mentor diese mit modernster Technik und gegen hohe Kursgebühren verlorenen Seelen zu “schenken”.

 

Der Leser wird zunächst Zeuge des Fundes in der Tiefkühltruhe um dann, mit einem Sprung ins Jahr 1890, Beobachter des “Gefriervorgangs” zu werden. Rabbi Zephir ben Elieser, das hatte während einer Astralreise seinen Körper vorübergehend verlassen. Was dieser sogleich nutzte um im örtlichen See zu versinken und während des folgenden strengen Winters einzufrieren. Der Jude Josl König Cholera haut ihn schließlich aus dem Eis. Sein Sohn Salo Frostbeißer schafft ihn nach Lodsz. Dessen Tochter Jochebed überführt ihn nach dem Tod der Eltern nach Amerika. Sie heiratet den Erfinder Schmerl Karp, der ein Verfahren zur künstlichen Eisgewinnung erzeugt und somit die Erhaltung des “Erbstücks” sichert.

 

Dieser Teil des Buches, der sich mit dem Weg des in Eis konservierten Rabbis befasst, ist interessant und leidlich gut zu lesen. Störend sind die extrem langen Schachtelsätze des Autors und die Angewohnheit immer wieder von der eigentlichen Geschichte abzuweichen. Grundsätzlich aber ist es die authentische Schilderung eines jüdischen Familienschicksals. Mit Elend, Vertreibung, der Hoffnung auf einen Neubeginn im Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der dortigen Situation am Beispiel New Yorks. Detaillierte Milieukenntnisse prägen diesen Teil und machen ihn zu einem zeithistorischen Dokument.

 

Anders der Teil der im beginnenden 21. Jahrhundert spielt und die spirituelle Suche Bernies und den kometenhaften Aufstieg des Rabbis zum erfolgreichen Guru beinhaltet. Auf dicht beschriebenen Seiten drängt Steve Stern spirituelle Lektionen, die für Nichtkenner des jüdischen Glaubens weder verständlich noch nachvollziehbar sind. Seitenlange Passagen befassen sich langatmig mit der Erforschung mystischer Disziplin, kabbalistischen Konzepten und der wahren Bedeutung der Tora. Ein geistliches Manifest wo man heiter, entspannende Lektüre erwartet hatte.