Wenig Humor, viel jüdische Geschichte

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evelynmartina Avatar

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In Memphis findet der gelangweilte und unzufriedene Teenager Bernie Karp in der Kühltruhe seiner Eltern einen tiefgefrorenen Rabbi, der als eine Art Glücksbringer über Jahrzehnte innerhalb der Familie weitergereicht wurde. Bei einem Stromausfall taut das Relikt aus dem 19. Jahrhundert auf und wird zu neuem Leben erweckt. Während sich der Rabbi perfekt der Neuzeit anpasst und Nutzen aus möglichen und unmöglichen Gepflogenheiten der modernen Gesellschaft zieht, entdeckt Bernie seine jüdischen Wurzeln und ungeahnte Qualitäten.

 

Die Handlung in Steve Stern’s Roman „Der gefrorene Rabbi“ unterteilt sich in Abschnitte des Heute und der vergangenen 100 Jahre. Im Heute verwandelt sich Bernie Karp von einem desillusionierten Jugendlichen in eine Person mit Zielen und übersinnlichen Fähigkeiten, wohingegen sich der Rabbi immer mehr seiner ursprünglichen Berufung abwendet und sich genüsslichen und gewinnbringenden Aktivitäten widmet. In den Passagen der Vergangenheit erfährt der Leser, wie der Rabbi in den gefrorenen Zustand gekommen ist und als Eisblock mit seinen jeweiligen Besitzern eine lange Reise von Polen in die USA unternimmt. Der Rabbi spielt in diesen Kapiteln eher eine Nebenrolle, denn vielmehr geht es Steve Stern darum, das im letzten Jahrhundert stattgefundene Martyrium der Juden in Ost und West darzustellen. Das gelingt dem Autor durchaus, jedoch bleiben seine Figuren größtenteils glanzlos und fade, und sein im Grunde ansprechender Erzähl- und Schreibstil wirkt stellenweise langatmig und ermüdend.

 

Ich habe eine amüsante Geschichte über ein uriges Überbleibsel aus der Vergangenheit, das dem Amerika des 21. Jahrhunderts Paroli bietet, erwartet und mich auf ein witziges und ungewöhnliches Lesevergnügen gefreut. Doch anstatt Humor und Kurzweil habe ich eine Lehrstunde in Geschichte, Sitten und Gebräuche des Judentums erhalten, die zwar interessant, aber sehr ausschweifend und mit einer Menge von jüdischem Insider-Wissen gespickt ist. Das Geschehen an sich entbehrt jeglicher Logik, ist übersät mit Spitzfindigkeiten und endet abstrus und nahezu lachhaft.

Schade, die Idee zu dem Roman hat mir gefallen, verrückt und eigentümlich, die Ausführung hat mich leider nicht überzeugen können.